Der neue Vulkan auf La Palma

Liebe Freunde,

da ich zurzeit sehr viele besorgte Anfragen erhalte, die ich gerade jetzt nicht alle einzeln angemessen beantworten kann, erlaube ich mir, hier einen (aussagekräftigeren) „Blog“ zu erstellen
das bedeutet: Der neueste Beitrag steht jeweils oben.

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7. Bericht — Berlin, Fr. 26.11.21

Liebe Freunde, 

nachdem unser Flug von La Palma letzte Woche überraschender Weise problemlos startete (diese Woche war der Flughafen wg. Aschefall wieder gesperrt), waren wir nun zehn Tagein Berlin und haben tagsüber unsere Familie und Freunde besucht, während ich nachts die Vorbereitung der vier anstehenden Afrika-Gruppen weiter vorangetrieben habe.

Der Vulkan auf La Palma hat derweil munter weiter Lava Richtung Meer geschickt und ein neues Delta etwas näher an Puerto Tazacorte gebildet, so dass die Insel um einige weitere Hektar gewachsen ist.  Meist lief die Lava dabei zwar auf älteren Ablagerungen  –  manchmal aber halt auch nicht, so dass sie nördlich und südlich des inzwischen gut 3 km breiten Lavafeldes noch einige Häuser verschluckt hat.  Immer wenn es etwas nach Beruhigung der Aktivität aussah, gab es doch wieder Erdbebenschwärme aus der tieferen der beiden Magmakammern, was als „Nachladen“ gilt und zuverlässig einige Tage später zu neuen Lavaschüben führte. Also weiterhin ein (leider ganz „normales“) Auf und Ab  – wobei die „Aufs“ wohl doch langsam weniger hoch ausfallen als zuvor, es also durchaus Grund zur Hoffnung auf ein mittelfristiges Abklingen gibt. 

Nun hat auch noch  – eh schon etwas verspätet –  die Regenzeit auf den Kanaren begonnen, mit einigen stärkeren Regenfällen auch auf der Westseite La Palmas  –  was normalerweise sehr erwartet wird, um nach der langen Trockenzeit den Ruf der auf mittleren Höhen auch landwirtschaftlich geprägten „grünen Insel“ aufrechtzuerhalten.  Dieses Mal erwartet man die Regenfälle freilich mit sehr gemischten Gefühlen, da gerade auf der Westseite an den steilen Hanglagen die meterhohen Ascheverwehungen ins Rutschen kommen und regelrechte Schlammlawinen bilden könnten:  Die feine Asche saugt sich mit dem Regenwasser voll und vervielfacht dabei ihr Gewicht, was sie am Hang instabil werden lässt und auch ungefegte Dächer zum Einsturz bringen kann.  Bislang sind Meldungen über solche Ereignisse noch ausgeblieben  –  aber die Regenzeit beginnt ja auch gerade erst.  Meine Haushüterin hat jedenfalls noch ein paar Eimer feinen schwarzen Sand zusammengefegt  –  den kann man später sicher gut für sämige Mörtelmischungen o.ä. gebrauchen..

Aber auch wenn der Vulkan noch längst nicht klein beigeben will, beginnt man auf der Insel bereits, über möglichst baldige Baumaßnahmen zu spekulieren, um obdachlos gewordene Familien wieder unter Dach und Fach zu bringen  –  die Diskussion dreht sich dabei um die Standorte zukünftiger Ortskerne als Ersatz für die verlorengegangen: An alter Stelle mitten in die jungen Lavafelder  –  oder an anderer Stelle in bislang ungenutztes, jedoch zumeist naturgeschütztes Gebiet.  Auch alles schwierig..

Derweil steht die erste Freundeskreis-Reisegruppe nach zweijähriger Corona-Zwangspause in den Startlöchern, um morgen Samstag nach Tansania zur Serengeti, dem Ngorongoro-Krater und nach Sansibar aufzubrechen  –  und nachdem wir nun alle Papiere und Tests  beisammen haben, hört man seit heute von einer neuen Variante, die beginnt sich in der Welt auszubreiten.  Dies war immer meine Idee:  Dass wir die Gunst der Stunde nutzen, in welcher die Impfungen noch wirken, jedoch noch keine neuen Mutationen Unsicherheiten verbreiten.  Hoffentlich überholt uns diese Variante nun nicht doch noch..

Wie auch immer: Wir werden von unserem Versuch, die Nase endlich mal wieder über den Tellerrand zu schieben, im Reisetagebuch berichten  –  morgen geht es los.

Wer mag, kann uns also dort virtuell begleiten  – 
bis dahin ganz herzliche Grüße grad noch aus Berlin,

Thomas

7. Bericht — La Palma, So. 14.11.21

Liebe Freunde,

kurz vor unserer Abreise nach Berlin will ich mich  – wie immer mit großem Dank für die anteilnehmenden Meldungen –  noch mal von unserem derzeitigen „Feuerplaneten“ melden: 

Mehrere Lavaschwälle kippen über die Kante der Steilküste und bilden neue Deltas

Auch 8 Wochen nach Eruptionsbeginn hat der Vulkan nur wenig von seiner brutalen Gewalt und schon gar nichts von seiner magischen Faszination eingebüßt.  Während seit letzter Woche die vormals oft über 500 Meter hoch lodernde Feuerfontäne zeitweise etwas zurückzufahren scheint und öfter auf Sparflamme flackert, treten dafür am Fuß des Kegels an verschiedenen Stellen neue breite und schnellfließende Lavaströme aus, die schnurstracks das inzwischen über 3 km breite schwarze Lavafeld queren und sich in mehreren dampfenden Schwällen über die Steilküste ins Meer stürzen, wobei sie die früher bei uns sehr beliebte Playa Nueva inzwischen komplett überformt haben mit einer südlichen Fortsetzung des in den ersten Wochen entstandenen Lavadeltas, so dass sich jetzt das neue Delta mit dem alten von 1949 langsam verbindet. 

Am vorletzten Wochenende kamen wir auch hier im vergleichsweise geschützten La Punta hinterm Time mit dem Aschefegen schier nicht mehr nach  –  ich hätte neben den Solarpaneelen gleich mit dem Besen stehen bleiben können, so schnell waren sie vom Aschefall sofort wieder lückenlos bedeckt, und sogar im Haus konnten wir trotz geschlossener Fenster und Türen mehrmals am Tag fegen und wischen. 

Zudem mussten wir Masken und Schutzbrille quasi durchgängig tragen, um die scharfen Vulkanglaspartikel, aus denen die sehr feine lungengängige Asche besteht, nicht in Lunge oder Augen zu „inkorporieren“, was zu bösen Entzündungen und Atemproblemen führen kann.  Glücklicherweise drehte ab Montag der Wind wieder, so dass wir buchstäblich aufatmen konnten. 

Nun brachte das Putzen wenigstens für ein/zwei Tage Erleichterung, und wir konnten auch das Dach weitgehend von der Aschelast befreien.  Kaum waren die Batterien der Solaranlage wieder halbwegs geladen, blieb dafür plötzlich das Wasser weg:  Irgendwo in der kilometerlangen Überlandleitung vom Wasserverteiler am Hauptkanal zu unserem Haus gab es offenbar eine Verstopfung, ausgelöst möglicherweise durch Ascheeinträge.

Das Lavafeld ist inzwischen über 3 km breit, wird von mehreren Lavaströmen durchflossen und zerteilt das Tal in „diese Seite“ und die schier unerreichbare „andere Seite“.

Mit einem Freund gingen wir die Leitung durchs Dickicht mühsam ab  –  schließlich ließ ich das Rohr aber von einer darauf spezialisierten Firma komplett unter Hochdruck durchblasen, was uns im Ergebnis einen deutlich besseren Wasserfluss als zuvor bescherte:  Die inzwischen 30 Jahre alte (damals selbstverlegte) Leitung war wohl eh langsam zugewachsen, die Asche hatte hier nur den Rest besorgt und eine grundsätzliche Problemlösung erzwungen. 

Derweil waren die vulkanischen Tremore (fortlaufende Erdvibrationen) letzte Woche auf wenige Ereignisse pro Tag zurückgegangen, so dass die berechtigte Hoffnung auf ein möglicherweise baldiges Ende des Ausbruchs keimte.  Damit war freilich schlagartig Schluss, als am letzten Mittwoch plötzlich wieder um die 40 Erdbeben gemessen wurden, noch dazu in der unteren von zwei unter der Insel befindlichen Magmakammern, was von den anwesenden Vulkanologen als ein „Nachladen“ der oberen Magmakammer interpretiert wurde und uns auf weitere Ereignisse einstimmte.  Tatsächlich weckten uns des Nachts mehrere heftige und länger andauernde Schläge, die die Stärke 5 überschritten und auch noch auf den Nachbarinseln gespürt wurden, und die die nächsten Tage anhielten. 

Auf unseren abendlichen Hundeauslauf-Spaziergängen und in der Dorfkneipe treffen wir inzwischen vermehrt Menschen (darunter viele Bekannte) aus dem Tal, die entweder (bestenfalls) vor dem ständigen Lärm des Vulkans und seinen Aschemassen das Weite gesucht haben, oder aus evakuierten Zonen stammen, oder schlimmstenfalls sogar bereits ihr Haus verloren haben.  Manche derart getroffene Familie campt im Norden im Wald; die meisten haben freilich Verwandte oder zumindest Freunde in der Gegend, wo sie zumindest zeitweise unterkommen. 

Pedro Sanchez, der spanische Ministerpäsident, war nun schon zum 6. Mal auf der Insel, um sich persönlich vom Fortgang der Geschehnisse unterrichten zu lassen und vom Erfolg der Regierungsmaßnahmen im Hinblick auf Soforthilfen für Betroffene und notwendige Bau- und Sicherungsmaßnahmen zur Schadensbegrenzung zu überzeugen.  Hilfsmaßnahmen von Wohlfahrtsverbänden, internationale NGO’s und private Spendenaktionen tragen ihren Teil dazu bei, die Not der „Desplazodos“ zu lindern und traumatische Erlebnisse zu verarbeiten. Auch die vom Freundeskreis gesammelten Spenden konnten inzwischen komplett an teils vor Anspannung, aber auch vor Rührung weinende Menschen verteilt werden. 

Vor der Küste liegt ein größeres Marineschiff, welches mit drei Landungsbooten täglich evakuierte Bananenbauern von Puerto Tazacorte „auf die andere Seite“ hinter den Lavaströmen (Coladas) Richtung Puerto Naos bringen lässt, die dort dann für einige Stunden ihre in Asche versunkenen Plantagen säubern und wässern können.  Diese Gegend ist  – seit die letzte Zufahrtsstraße verschüttet wurde –  nur noch von See her erreichbar und damit im Grunde objektiv abgeschnitten.  Man arbeitet aber schon an der Begradigung von uralten Schleichwegen südlich der Coladas, um die Orte in Zukunft auch für Lastkraftwagen und Arbeitsmaschinen wieder erreichbar zu machen. 

Einen ersten Toten im Zusammenhang mit dem Vulkan hat es wohl gestern gegeben: Ein älterer Mann ist offenbar beim Säubern des Daches seines Hauses im Sperrgebiet beim Einsturz dieses Daches ums Leben gekommen.

Manchmal sieht man kaum noch die ehedem dominierende Feuerfontäne – dafür laufen dicke Lavaströme durch das Tal zum Meer und verursachen ein magisches Leuchten des Nachthimmels.

In den allerletzen Tagen haben Erdbeben und Feuerfontäne zwar wieder nachgelassen  –  die glühenden Lavaströme aber röten den Nachthimmel unter dem zurzeit anwachsenden Mond mit magischem Leuchten, und auch Rauchentwicklung und Schwefeldioxid-Ausstoß  – wichtige Parameter in der Abschätzung des Ausbruchsgeschehens –  geben noch keinen Anlass zu Entwarnungshoffnungen:  Noch kann es sich auch um eine nur kurzfristige Atempause des Monsters handeln  –  weitergehende Hoffnungen wurden bislang noch immer enttäuscht.

Phet und ich befinden sich derweil hier in den letzten Momenten der Rückbau- und Aufräumphase:
Am kommenden Dienstag 16.11.21 werden wir (sofern der Flieger hier landen kann) die Insel verlassen und nach Berlin fliegen, um dort am Ende des Monats die Tansania-Gruppe zu übernehmen; im neuen Jahr folgen dann einige Uganda-Gruppen zu den Berggorillas, sofern die Coronalage diese Reisen zulässt.

Wir können nur hoffen, dass wir unterwegs positive Nachrichten von der Insel erhalten, dass das Monster seinen heißen Atem ausgehaucht hat  –  und wir bei Heimkehr im nächsten Jahr auch unser Dach endlich erneuern können, ohne neuen Aschefall befürchten zu müssen. 

Wer mag, kann unsere Reisevorhaben (Versuche?) und geplanten Abenteuer in Afrika im Reisetagebuch weiter mitverfolgen:  Auf der Freundeskreis-Website  www.lapalmaexplorers.net  findet man das  Reisetagebuch (hier klicken)  unter  „aktueller Reisebericht

Bis dahin mit herzlichem Gruß von der Feuerdracheninsel,

Thomas

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6. Bericht — La Palma, Sa. 30.10.21

Liebe Freunde, 

da ich nach wie vor darum gebeten werde (Danke für die vielen mutmachenden Zuschriften), will ich die Berichte „aus dem Auge des Vulkans“ auch diese Woche fortsetzen:

Die wichtigste Meldung scheint mir im Augenblick zu sein, dass es (leider) wenig Änderung zu vermelden gibt: Auch nach einem wohl eher eingebildeten (meinerseits) Schwächeln vor einigen Tagen setzt der bislang weiterhin namenlose  – und damit jedermans Fantasie anregende –  Vulkan sein „schöpferisches Zerstörungswerk“ mit neuem Anlauf ungebremst fort:  Ganze Ortschaften gehen für immer unter  –  buchstäblich brandneue, zugleich urweltlich anmutende Landschaften entstehen.

Eine neue, urweltliche Landschaft entsteht anstelle der vormalig bekannten.

Der durch den unerhört und unerwartet massiven Ausbruch erzwungene Einschnitt ins Leben der Inselbevölkerung ist schier unvorstellbar  –  es wird für immer ein „vorher“ und ein „nachher“ mit Bezug zu diesem Vulkan geben.  Und die Stunde Null ist noch nicht mal gekommen.

Aber zumindest ist mit diesem Schicksal hier niemand allein  –  einfach weil es so wahnsinnig viele = tausende Betroffene sind:  Bislang sind über 2.200 Häuser dem Lavastrom zum Opfer gefallen, und täglich werden es mehr.  Man lässt die Vulkan-Geschädigten auch nicht allein:  Die Solidarität ist riesig  –  niemand bleibt sich selbst überlassen.  So lernt man quasi mitten im Chaos auch täglich neue Menschen kennen  –  geschockte, aber zugleich tapfere Menschen.

Und hilfsbereite Menschen:  
Denn die zufälligerweise weniger bis (noch?) Nicht-Betroffenen stehen den übelst Betrofffenen je nach Möglichkeiten so gut es geht zur Seite  –  Sach- und Geldspenden kommen inzwischen aus der ganzen Welt.    Auch vom Freundeskreis konnte ich schon manche freundliche Gabe in dankbare Hände weiterreichen  –  und auch dies sind Erfahrungen, die die eher bodenständigen Menschen hier nicht vergessen werden.

Inzwischen hat die frische Lava schon weit mehr als doppelt so viel Land gefressen als der bislang schlimmste Ausbruch der letzten 500 Jahre seit der Eroberung (also seit Beginn der Geschichtsschreibung), und es ist weiterhin kein Ende abzusehen:  Über 1.000 ha Land einschließlich ganzer Ortschaften sind unter der oft schon 30 bis 40 Meter dicken Lavadecke (vergleichbar einem 12-stöckigen Haus) verschwunden, zusätzlich sind viele Quadratkilometer mit meterdicker lockerer (hoffentlich irgendwann beseitigbarer) Lavaasche bedeckt  –  Dächer müssen angesichts der anrückenden Regenzeit von dieser Asche befreit werden, da diese sich mit dem Regenwasser vollsaugen und ihr Gewicht vervielfachen würde.

Auf der ganzen Insel muss zudem täglich der feine Aschestaub gefegt werden, der durch alle Ritzen ins Haus treibt und zwischen den Zähnen knirscht und die Augen rötet: Richtung Aridanetal tragen wir inzwischen alle freiwillig Masken, Schutzbrillen und Vermummung mit Käppis/Hüten oder Schals. 

Oft feuert der Teufelskerl aus allen Rohren

Dabei treibt „El Monstruo“ nun schon seit 6 Wochen ununterbrochen teils gleich mehrere über 500 Meter hohe Feuerfontänen in den Himmel  –  gelegentlich waren es acht (!) Öffnungen, die um die Wette feuerten.  Massen an Lava fließen in immer neuen Strömen den immer höheren Vulkankegel hinab, oder der Kegel bricht seitlich ein und rülpst beim Kollabieren gewaltige Schwälle („Tsunamis“) des über 1.200 Grad heißen, zunächst hellorange glühenden, teils zähen, teils aber fast wie Wasser flüssigen Gesteinsbreis ins Tal, wo sich die dann rot leuchtenden Flüsse durch nie gesehene, aber urweltlich wirkende schwarze Canyons stürzen, um sich auf ihrem Weg zum Meer unaufhaltsam weiter und weiter ins einst grüne Land zu fressen, wo täglich weitere Häuser, für die man zuvor noch hoffte, brennend auflodern und bersten, bevor sie endgültig tief und für immer unter einem völlig neuen Horizont begraben werden.

Diese Beschreibung zeigt schon  – denke ich -, wie schwer es ist, sich dem permanent verbreiteten Schrecken und der zugleich teuflischen Faszination dieses übermächtigen Naturereignisses zu entziehen, dem man als Mensch auch in Gemeinschaft völlig hilflos gegenüber steht: Man wähnt sich abwechselnd auf einem fremden Planeten oder schlicht im falschen Fantasy-Film  –  Mordor wäre sicher auch kein schlechter Name für das bislang namenlose Ungeheuer.

Von Beginn an stand der gesamte Süden unter einem ständigen Tremolo sich jagender Erdbeben  –  inszwischen spüren wir sie auch hier im abgelegenen Norden täglich deutlicher:  Man hört (!) die Beben von Süden heranrollen, dann zittern sie unter dem Haus hindurch und verlieren sich grollend nach Norden.  Wände vibrieren, Scheiben klirren  –  bei mir hat eine Terrassenmauer einen tiefen Riss, Nachbarn haben bereits Risse in den Hauswänden.

Wir halten dann solange den Atem an, bis das Ereignis durch ist: Unsere Caravan- und Holzbausiedlung erweist sich glücklicherweise als relativ erdbebensicher. Immerhin ist so ein vulkanischer Tremor nicht mit den gewaltigen Erschütterungen im Gefolge tektonischer Plattenverschiebungen vergleichbar, die ungleich größere Energien freisetzen und daher oft noch weit verheerender sind. 

Vorgestern wurden wir mit der Meldung geweckt, dass sich der Erdboden bei Jedey (weiter im Süden) um mehrere Dezimeter gehoben hätte, was Anzeichen für die Eruption eines weiteren Vulkans hätte sein können.  Seit Wochen schon steht diese Möglichkeit im Raum, und wird mal für den Süden, mal für den Osten der Insel befürchtet.  Glücklicherweise hat sich für dieses Mal die Wölbung ohne weiteren Durchbruch wieder zurück gebildet  –  der Druck wird bislang (deutlich sicht- und hörbar) durch den bestehenden Vulkan abgelassen.

Abseits der Lavaströme versinken weite Teile der Insel unter meterdicken Ascheschichten.

Zurzeit läuft die Lava verdächtig nah an der letzten vernünftigen Straßenverbindung über Las Manchas nach Puerto Naos entlang (der einstige Badeort liegt in der Sperrzone und ist komplett evakuiert  –  er ist von meterhohen „Schneewehen“ aus Asche bedeckt und eh nur noch vía Osten von Süden her erreichbar): Wird diese Straße nun auch noch blockiert, kommt man dort nur noch über schmale und steile Schleichwege hin, also jedenfalls keine Lastwagen mehr.  Was dem Wiederaufbau einen weiteren Knüppel zwischen die Beine werfen würde. 

Aber so weit sind wir eh noch nicht  – 
die Jahrhundert-Dreckschleuder steht natürlich unter massiver internationaler wissenschaftlicher Beobachtung, jedoch findet auch dieses versammelte Fachwissen bislang leider keinerlei Grund für absehbare Entwarnung: Alle Parameter stehen auf „immer heftig weiter so“.. 

Dass wir so etwas noch erleben dürfen:  Nicht einfach einen Vulkanausbruch  –  damit geben wir uns gar nicht ab.  Nein:  Es muss schon der Heftigste seit Menschengedenken sein..  (zumindest hier auf der Insel)

Wie sich die Insel entwickeln wird, wenn das alles mal vorüber ist, ist zurzeit noch gar nicht absehbar  –  die Ideen gehen von Wiederaufbau an derselben Stelle bis Vulkan-Naturpark und Wiederaufbau an anderen Stellen, wirken aber allesamt bislang unausgegoren.  Wie auch sonst:  Etwaige Entscheider sind zurzeit anderweitig beschäftigt.  Immerhin gibt es auch einen Aufruf zur Entscheidungsfindung durch die Bevölkerung: Der Name des Ungeheuers soll nun endlich, aber ganz demokratisch vom betroffenen Volk bestimmt werden.

Soviel für den Augenblick  – 
klar ist, dass wir noch eine Weile in dieser Dystopie ausharren werden müssen, bevor es aufklaren könnte. 

Ich muss aufs Dach, die Solarpaneele fegen  – 
Euch alles Gute und noch mal DANKE für die vielen guten Gedanken, die Ihr an uns sendet.

Ganz liebe Grüße von der wahrhaft feurigen Insel  – 

Thomas

P.S.:
Heute morgen Samstag früh 30.10. rüttelte das bisher schwerste Erdbeben die Insel durch und ließ uns fast aus den Betten fallen –  angeblich über 5 auf der Richterskala: Wir wurden vom heranrollenden Donner wach, dann fuhr ein gewaltiger Schlag durchs Haus, dann rollte es weiter und verlief sich. Seither der schlimmste Ascheregen ever  –  also da geht noch was.. 

Jeden Morgen müssen die Solarpaneele auf dem Dach gefegt werden – manche Tage auch mehrfach.

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5. Bericht — La Palma, Fr. 22.10.21

Liebe Freunde,

wieder ermutigen mich viele Zuschriften, ein weiteres Update über die Aktivitäten und Auswirkungen des Vulkans von La Palma auszuteilen: 

Im Augenblick steht die Insel unter dem Schock eines weiteren gravierenden Verlustes: Da der Abfluss der heißen Magma ins Meer zur neuen Halbinsel seit einiger Zeit von erstarrender Lava verblockt wurde, verteilt sich die glühende Masse jetzt immer mehr in die Breite des Tals von Aridane  –  mit immer katastrophaleren Folgen. Vorgestern wurde von einem nördlich verirrten Lavastrom nun tatsächlich auch der Ortskern von La Laguna erfasst  – was zusätzlich Befürchtungen nährt, dass auch Ortsteile von Tazacorte in den Bereich der weiterhin einen Abfluss ins Meer suchenden Glutströme kommen. 

Hauptkreuzung im Ortskern von La Laguna:
Rechts war die Tankstelle

Über 7.500 Menschen sind aktuell evakuiert, was ca. 10% der Bevölkerung La Palmas sind  – von denen viele nie mehr zurück können, da die Heimat, in der sie ihr Leben verbrachten, schlicht nicht mehr existiert. Denn bald 1.000 Hektar Land wurden von der Lava überflutet (weit mehr als doppelt so viel wie beim zuvor stärksten Ausbruch der letzten 500 Jahre), und über 2.100 Gebäude sind bislang dabei für immer verschwunden.  Und nichts deutet auf ein baldiges Ende hin..

In der Folge sind viele „Desplazados“ aus dem Tal nun in andere Inselteile (oder gleich auf andere Inseln) gezogen, insbesondere auch hier in unseren bislang ruhigen, eher abseitig gelegenen Norden, auf der Suche nach zunächst vorübergehender Unterkunft, die sie vor allem in zurzeit ungenutzten Ferienhäusern finden  –  freilich ist absehbar, dass alle diese Menschen letztlich eine Dauerlösung brauchen werden. 

Die gelebte Solidarität ist derweil ungebrochen groß, und jeder „Hiesige“ bietet freie Zimmer oder  – soweit vorhanden –  Häuser an;  Ställe und Schuppen werden provisorisch hergerichtet, und es gibt Einiges an Spenden auch von Außerhalb.  Diese werden gerührt und dankbar angenommen, denn an ein echtes Einkommen ist im Augenblick bei Vielen nicht zu denken  –  zu sehr ist man zurzeit mit „Retten, was zu retten ist“ beschäftigt.

Nachdem gestern ein Umspannwerk in Flammen aufging, lagen auch einige nicht-evakuierte Teile des nördlichen Aridanetals mit Los Llanos, El Paso und Tazacorte im Dunkeln  –  nur die Straßenbeleuchtung funktionierte weitgehend, die offenbar anders geschaltet ist. 

Fünf Hunde, die man per Drohne in einem von Lava eingeschlossenen leeren großen Bananenwassertank entdeckt hatte, machten Schlagzeilen:
Nachdem man sie mehrere Tage lang mit Wasser und Futter per Drohnenabwurf versorgt hatte,
und bereits diskutiert wurde, ob man sie per Drohne besser erschießen oder mit Fangnetzen und Ködern einfangen und ausfliegen sollte (m.E. ein eher aussichtsloses Unterfangen, da die Hunde verstört sind und sich kaum einer brummenden Drohne anvertrauen würden), waren die Kerlchen plötzlich verschwunden  –  dafür sah man auf den Aufnahmen ein Bild von einem Laken, welches mit „Die Hunde sind in Sicherheit“ beschriftet war: Offenbar waren einige todesmutige Tierschützer (strikt verbotener Weise) in die Sperrzone eingedrungen und über die erkaltende Lava zum Tank gelaufen, und hatten die Tiere in Sicherheit gebracht  –  das Laken war der Beweis, dass das Husarenstück gelungen war. 
Diese Aktion ist insofern wirklich aberwitzig (nach gutem Abschluss aber witzig), weil Lava oft unter der erkaltenden Deckschicht flüssig weiter läuft und dabei Hohlräume hinterlässt, deren dünne Decken bei Betreten einbrechen und den Kletterer in unkalkulierbare (und tödlich heiße) Tiefen stürzen lassen könnten. Daher auch strikt verboten  –  weshalb die Helden es bislang vorzogen, anonym zu bleiben. 

Blick vom Mirador El Time nach Los Llanos (links) und den Vulkan mit seinem Lavastrom quer durchs Aridane-Tal

Meinem Credo, dass es sich bei dem inzwischen aus drei Schloten wütend um die Wette feuernden Vulkan wenigstens mal um keine menschengemachte Katastrophe handelt, wird nicht völlig unbegründet entgegengehalten, dass die vielen Sprengungen der letzten Jahre bei Straßenbau- und Wasserrückhaltebecken-Dammbau sehr wohl dazu beigetragen haben könnten, Risse im Untergrund zu öffnen oder zu erweitern, die der Magma letztlich den Weg in bebaute Gegenden wiesen. 

Meine persönliche (und insbesondere von älteren Palmeros geteilte) Theorie ist freilich, dass nach dem coronabedingten zweimaligen Ausfall des Teufelsfestes von Tijarafe der Teufel im Vulkan aufgrund des Vertragsbruchs die Geduld verlor und deshalb seinerseits aktiv wurde. Allerdings streiten sich auch in mir die rationale und die emotionale Seite, welche Idee der Wahrheit näher kommt  –  im Zweifel wie immer eine Mischung aus beidem.  Zumindest im übertragenend Sinn..

Ein Ende des rundum erschütternden, dabei nach wie vor beeindruckenden und gerade bei Nacht unter dem gegenwärtigen Vollmond auch faszinierenden Jahrhundertereignisses ist weiterhin nicht abzusehen  –  die unabwendbare Veränderung unser aller Leben hier liegt jedoch greifbar, geradezu schnittfest in der Luft. 

Gleich wird es hell, und ich muss aufs Dach, die Asche von den Solarzellen fegen  – 
ich danke für Euer Interesse und die vielen guten Wünsche, welche die Menschen durchaus hier nicht unberührt lassen:
Alles Gute und ein tief empfundenes palmerisches „Vergelt’s Gott“ („Que diós te bendiga“)  – 

und bis zum nächsten Mal, mit hoffentlich besseren Nachrichten

Thomas  

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4. Bericht — La Palma, Fr. 15.10.21

Liebe Freunde, 

aus den unzähligen anteilnehmenden Zuschriften  – für die ich mich wieder sehr bedanke (!!) –  entnehme ich, dass ein gewisses Interesse am hier kommunizierten Einblick in unser aktuell unverhofft „spannendes“ Inselleben besteht  – dem ich weiter gern nachkommen möchte. 

Wir haben zurzeit viel Kontakt zu Menschen, die wir jetzt erst nach und nach erreichen können. Dabei berichten die betroffenen „desplazados“ immer wieder  – oft unter Tränen –  Geschichten, die einem schier das Herz zerreißen:  Wie sie z.B. nach der frühzeitigen Evakuierung die Mitteilung bekamen, zu einem bestimmten Zeitpunkt noch einmal zu ihrem Haus zu kommen, um besonders wichtige Dinge wie Dokumente, Haustiere oder halt auch einige greifbare Einrichtungsgegenstände zu bergen  –  dafür dann aber oft nur 30, manchmal sogar nur 15 Minuten Zeit zur Verfügung standen, weil die zur Bergung überall eingesetzten Bananentransporter derart ausgelastet waren, dass man in der Eile teils die falschen Dinge griff oder schlicht vergaß.

Solidaritätstreffen im Haus unserer Nachbarin Marion, der Bäckerin von La Punta

So berichtet uns Sandra  – die Bioladen-Betreiberin von La Laguna –  dass sie ihr Haus am oberen Camino Pastelero gleich gar nicht mehr betreten konnte, denn als sie dort ankam, war dies als eines der Ersten von den Lavamassen schon begraben worden. Jetzt bangt sie um ihren Laden in La Laguna, dem Ort, dem sich aktuell ein neuer Lavastrom nähert  –  immerhin hatte sie jetzt zwei Tage Zeit, dort alles zu bergen, und muss nun erschöpft abwarten, ohne mehr tun zu können als zu hoffen, dass der Kelch wenigstens an diesem Ort vorüber gehen möge.  Sie wohnt mit ihren knapp 50 Jahren  – zusammen mit ihrer Tochter –  jetzt in Mazo (Ostseite nahe Flughafen) bei ihrer Mutter – und kommt nachts nicht zur Ruhe, weil ihr die ständigen Erdbeben und Zukunftssorgen den Schlaf rauben. 

Anderes Beispiel:  Ulysses größere Familie  – alles Bananenbauern –  hat im Einzugsbereich von Todoque gleich alle fünf zur weitläufigen Familie gehörenden Häuser einschließlich Bananenfincas verloren  –  sie wohnen jetzt in einem als Auffangstation genutzten Hotel in Fuencaliente.  Auch dort zittert immer wieder der Boden unter den Füßen; ein zweiter Ausbruch wird zunehmend für möglich gehalten.  Uly kommt häufig zu uns in den Norden, wo wir ihn  – wie schon früher –  gern mit kleineren Jobs versorgen, um etwas Einkommen zu generieren. Zum Ausgleich hält er uns über die Geschehnisse im plötzlich so fernen Süden auf dem Laufenden. 

Das „blutende Herz“ – die Insel La Palma mit der frischen Lava im südlichen Aridane-Tal

Immerhin hat der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez die Insel gestern bereits zum vierten Mal besucht und umfangreiche Staatshilfen sowohl für direkt betroffene Anwohner wie auch als Wiederaufbauhilfe für die betroffenen Gemeinden in Aussicht gestellt.  Allerdings werden diese Hilfen  – wie er betonte –  erst ausgezahlt, wenn der Vulkan zur Ruhe gekommen ist:  Vorher macht ein Wiederaufbau ja auch wenig Sinn. 
By the way hat auch die EU Wiederaufbauhilfen zugesagt  –  allerdings erst nach der Kalkulation des Gesamtschadens, was während des laufenden Ausbruchs ja noch gar nicht zu leisten ist.  Auch hierfür wird man also weiter Geduld haben müssen. 

Hinzu kommt freilich, dass die Betroffenen ihre Betroffenheit  – also z.B. den Besitz verlorener Häuser –  nachweisen müssen.  Da fängt es aber hier schon an:  Viele Palmeros haben gar keine Papiere betreffs ihrer Häuser, da man hier früher halt gebaut hat wie man wollte, und diese Häuser generationenlang im Familienbesitz weitergereicht wurden.  Katasteramt und Gemeindeordnung sind vergleichsweise neue Errungenschaften, die vielen palmerischen Bananenbauern eher fremd sind.  Da haben ausländische Ferienhausbesitzer möglicherweise bessere Karten, einfach weil sie selbstredend schon immer ihre Dokumente in Ordnung halten mussten (oder zumindest sollten).  

Natürlich sind auch manche Auswandererfamilien  – oft aus Deutschland –  betroffen:  Zumeist als junge Aussteiger in den 80’er Jahren nach La Palma gekommen, um Atomunfällen (wie Tschernobyl) oder den befürchteten Folgen des NATO-Doppelbeschlusses auszuweichen, haben sie hier im Lauf der Jahre längst ihre Kinder großgezogen und Existenzen aufgebaut  –  und manche haben jetzt alles verloren, weil sie zufälligerweise am falschen Ort gesiedelt haben.

Hier kann man auf einer Karte mit Schieberegler den Zustand vor und während des Ausbruchs vergleichen (bitte den Link klicken – nicht das Foto): https://riesgovolcanico-lapalma.hub.arcgis.com/apps/mapa-comparativo/explore

Aktuell ist man hier  – vier Wochen nach Eruptionsbeginn –  die permanente Drohkulisse des Vulkans mit seinem unentwegt donnergrollenden Getöse, glühenden Lavawellen, schwarzen Rauchsäulen und langsam alles begrabenden Ascheregen  enorm leid  –  die anfängliche gottergebene Geduld aufgrund der Einsicht, halt auf einer Vulkaninsel zu leben (und auch die Faszination des durch die Nacht leuchtenden Naturereignisses) ist einer schleichenden Depression aufgrund der fehlenden Hoffnung auf ein baldiges Ende gewichen.  Denn während die Ausbrüche von 1949 und 1971 (und auch die historischen früheren) hauptsächlich unbewohntes Gebiet im Süden tangierten, wo man auch mit neuen Ausbrüchen rechnete, ist diesmal eher unerwartet eines der am dichtesten besiedelten Gebiete  – eben das vergleichsweise flache und daher gut nutzbare Aridanetal im Zentralbereich der Insel –  betroffen. 

Dabei geht nun nach und nach auch enorm viel Infrastruktur verloren:  So quellen inzwischen die inselweit aufgestellten Container für getrennten Müll über, weil der Punto Limpio in El Paso  – also die Lager- und Sortierhallen fürs Recycling –  verbrannt und begraben sind: Glücklicherweise konnte der Sondermüll rechtzeitig verlegt werden.  Vermutlich wird man aber demnächst wieder (hoffentlich nur vorübergehend) auf die frühere Müllverbrennung in bestimmten Barrancos zurückgreifen müssen.  Für einen Wiederaufbau wird freilich auch die ebenfalls verbrannte Zementfabrik fehlen.. 

Phet  und ich gehen nach wie vor täglich zum Mirador El Time und checken, wie weit das Desaster inzwischen fortgeschritten ist.  Während nachts die grellrote Feuerfontäne und der magisch glühende Lavastrom nach wie vor tief beeindrucken, sieht man tagsüber oft gar nicht so viel, weil alles rauchverhangen und diesig ist  –  nur die immer weiter um sich greifende schwarze Masse im südlichen Aridanetal ist bedrückend erkennbar, einschließlich einiger Rauchwolken an ihrer Front, die immer neue verbrennende Häuser und Bananenfincas anzeigen.  Der Gedanke an Krieg liegt nicht fern, auch wenn wir dankbar registrieren, dass bisher keine Menschenleben zu beklagen sind.

Angesichts der fortschreitenden Verwandlung einst grüner und blühender Landschaft in dieses unförmige schwarze Nichts kommen einem Atréju und sein Drache Fuchur in den Sinn, die ja ein ähnliches Desaster in Michael Endes „Unendlicher Geschichte“ aufhalten konnten.  Leider Märchen..
Stimmen, die anfänglich hervorhoben, dass es sich wohl um die effektivste Renaturierungsmaßnahme aller Zeiten durch Umwandlung bebauten Gebiets in ursprüngliche Naturlandschaft handelt, sind aufgrund des damit transportierten Zynismus angesichts der niederschmetternden Realität allzuvieler Menschen verstummt: Aktuell gelten ca. 2.000 Gebäude und über 800 ha Land als verloren – weit mehr als bei früheren Eruptionen.

Natürlich ist nun auch der Tourismus  – als gerade jetzt bitter benötigte Einnahmequelle gerade im Wiedererwachen nach anderthalb Jahren Corona-Pause –  fast komplett ausgefallen;  einige Vulkan-Spotter (Beobachter), die sich das wahrlich einmalige (na hoffentlich!!) Ereignis nicht entgehen lassen wollen, können die krassen Verluste nicht auffangen. Wobei hier natürlich jeder versteht, dass sich etwaige Besucher jetzt möglicherweise als störend im Augenblick der Not empfinden würden, und auch daheim ungern als Katastrophentouristen gelten wollen. Zumal im Aridanetal zurzeit tatsächlich kein „Urlaub“ wie früher möglich wäre  –  im Norden wohl schon eher.  Wo sich immerhin eine Menge Vulkanflüchtlinge aus dem Tal eingemietet haben, soweit sie nicht von Verwandten oder freundlichen Zeitgenossen einfach aufgenommen wurden. 

Ja:  La Palma wird nach diesem Ereignis anders sein  –  ganze Ortschaften sind von der Landkarte getilgt. 
Aber es wird überleben:  Auf Lanzarote dauerte ein Vulkanausbruch im 18. Jahrhundert mal geschlagene 7 (!) Jahre lang, sämtliche Einwohner hatten nach spätestens 3 Jahren jede Hoffnung aufgegeben und die Insel verlassen.  Aber auch dieses Ereignis ist heute nur noch eine ferne Erinnerung. 

Wie sagte unser Inselpräsident gestern so schön: „Wer heute La Palma betritt, spürt großen Kummer und Sorgen vor der Zukunft. Aber auch Solidarität, Tatendrang und Zuversicht:  Die Palmeros lassen sich nicht entmutigen.“ 

Wollen wir hoffen, dass nach dem höllischen Spektakel der Wiederaufbau gelingen kann  –  auch unter Mithilfe der vielen Freunde La Palmas, die dann die Insel wieder besuchen und zumindest wirtschaftlich wieder auf die Beine stellen werden.   Denn objektiv sind nur knapp 10% der Insel vom Lava-Erguss betroffen  –  leider überwiegend im bewohnten Bereich.

Mit diesen aktuellen Infos verabschiede ich mich mit großem Dank für Euer Interesse, das mich dazu ermutigt hat, Euch weiter quasi „aus dem Auge des Zyklons“ auf dem Laufenden zu halten. 

Mit herzlichem Gruß aus dem Leben unter dem Vulkan 

Thomas

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3. Bericht — La Palma, Do. 7.10.21

Liebe Freunde, 

abermals vielen Dank für viele wirklich warmherzige und tröstende Zuschriften, die uns und allen Palmeros Mut zusprechen und an uns denken  –   besonders natürlich auch denen, die mich informiert haben über auf den Weg gebrachte Spenden zur Unterstützung der teils wirklich hart getroffenen Familien. 

Tatsächlich kenne ich hier jeden Tag mehr Menschen, deren Haus direkt im betroffenen Gebiet stand. Es geht ihnen persönlich zwar zumeist „den Umständen entsprechend gut“,  sprich:  Sie sind gesund und in Sicherheit  –  befinden sich aber im Schockzustand:  Denn es wird den Betroffenen erst ganz langsam bewusst, was es bedeutet, so plötzlich ohne Alles dazustehen.  

Mit diesem Schicksal sind sie freilich nicht allein: Viele Vulkanflüchtlinge  – palmerische Bananenbauernfamilien ebenso wie deutsche Auswandererfamilien und viele andere –  sind jetzt hier im Norden provisorisch untergekommen, bzw. gleich auf andere Inseln geflüchtet.  Es ist wirklich ein Drama für die Betroffenen  –   und es ist noch lange nicht vorüber:  Vor einigen Tagen hat sich ein weiterer Schlot geöffnet  –  jetzt scheint der Vulkan mit noch mehr Druck seine Feuerfontänen in den Himmel zu schießen.  So viel grünes Land und freundliche alte Dörfer im Zentralbereich der Insel sind genauso wie manches Ferienhaus und sonstige Infrastruktur im südlichen Aridanetal tief unter dem sich immer höher aufbauenden und inzwischen teils über einen Kilometer breiten schwarzen Lavastrom versunken. 

Da sind Phet und ich wirklich dankbar, dass wir  – zummindest bislang –  nur gelegentlich Asche schippen müssen und wenigstens manche Hilfe organisieren können  –  aber es zerrt inzwischen bei allen Insulanern wirklich an den Nerven: Permanentes Donnergrollen, immer wieder Erdstöße oder die Druckwellen stärkerer Detonationen und der ewige Aschestaub können jeden demoralisieren. 

Denn es handelt sich hier nicht einfach um irgendeinen Vulkan, sondern auch noch um einen besonders kräftigen, ja geradezu gigantischen Vulkan Er hatte schon in der ersten Woche soviel Lava ausgeworfen wie der Teneguía-Vulkan vor 50 Jahren über die gesamte Dauer seines Ausbruchs von 24 Tagen. Nach der zweiten Woche wurde mengenmäßig auch der San-Juan-Ausbruch von 1949 getoppt  –  obwohl der Ausbruch damals 42 Tage dauerte. Bis heute (20. Tag) hat er mehr Lava ausgeworfen, als beide früheren Ausbrüche zusammen  –  und es sieht absolut nicht nach einem baldigen Ende aus.  

Am 10. Tag des Ausbruchs hatte der Lavastrom das Meer erreicht und formt dort seither zwischen Puerto Tazacorte und Puerto Naos unter quellenden Dampfwolken die sogn. „Isla baja„, also quasi das „Unterland“ von La Palma, das inzwischen auf über 40 Hektar angewachsen ist und täglich größer wird.  Während tagsüber eine kilometerhohe Rauchsäule buchstäblich in die Augen sticht (feine Aschepartikel in der Luft, die schwarze Verwehungen in den Straßen bilden), hält man nachts schier den Atem an aus Ehrfurcht vor dem orangerot glühenden Lavastrom, der durchgängig vom stets wütend fauchenden Vulkanschlot in den Bergen bis zur Küste zieht und dort das Meer kochen lässt. 

Heute hat sich ein weiterer Lava-Finger kurz vor der Küste südwärts abgezweigt und läuft jetzt durch die Bananenplantagen der Landzunge von 1949  –  man hatte dort 10 Jahre nach dem damaligen Ausbruch Waldboden aus El Paso aufgebracht und neue Plantagen angelegt.  Der Landgewinn soll ja nach so einem feurigen Landraubzug wenigstens auch genutzt werden..

Wie lange der jetzige Ausbruch noch andauert, kann kein Mensch sagen  –   die Ausbrüche der letzten 500 Jahre  (Beobachtungszeitraum seit der Eroberung) dauerten im Schnitt geschlagene 58 Tage.  Noch immer andauernde Erdbeben unter der Insel lassen jedenfalls auf gut gefüllte Magmakammern schließen  – selbst ein zweiter Ausbruch weiter im Süden wird nicht ausgeschlossen. 

Der oft kolportierten Theorie  – nach der ein Geologe 1999 festgestellt hätte, dass die Südwestflanke La Palmas inzwischen so steil und instabil wäre, dass sie sich bei einem weiteren Vulkanausbruch durch Abrutschen stabilisieren könnte, was einen Felssturz von ca. 500 km3 ins Meer und daraufhin einen bis zu 600 m hohen Tsunami zur Folge hätte, der die Küsten Afrikas und Europas mit über 200 m Höhe überrollen und sogar noch in Amerika mit 25 m Höhe einschlagen würde –  wurde zwar seither oft widersprochen mit dem nachvollziehbaren Argument, dass es sich dabei in Wahrheit um geologische Vorgänge handele, die geologische Zeiträume beanspruchten  –  aber man kann sich vorstellen, dass manche Menschen hier (und viele Beobachter in der Ferne) jetzt auch dieses Szenario im Hinterkopf haben, wenn sie an die Insel denken.  Apropos: Wir leben auf 450 m Höhe.. 

Soviel erstmal für heute  – 
wir fahren gleich noch mal zum Time, um den aktuellen Stand des Vulkans und das Anwachsen der neuen Landzunge „isla baja“ zu checken: 
Euch alles Gute und ganz liebe Grüße aus dem Atlantik,

Thomas

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2. Bericht — La Palma, Do. 30.09.21

Liebe Freunde, 

vielen herzlichen Dank für Eure zahlreichen durchweg empathischen Antworten  – 

es ist wirklich schön (und anrührend), wenn man merkt, dass die „normale“ menschliche Reaktion auf unerwartete Schrecken eben doch eine mitfühlende ist, und man zumindest in Gedanken nicht allein bleibt. 

Ihr könnt Euch vorstellen, dass wir hier zurzeit ordentlich in Arbeit sind, auch wenn wir selber glücklicherweise unser Haus nicht verloren haben  –  aber erschütternd vielen Freunden und Bekannten ist genau das passiert, und natürlich noch viel mehr Leuten, die man zwar nicht alle kennt, die man aber durch die große Solidarität, die zurzeit auf der Insel herrscht, teils nun doch kennen lernt.  Aber auch wenn unermesslich viel materieller Schaden entstanden ist (und es ist noch lange nicht vorbei):  Glücklicherweise sind bislang weder Tote noch Verletzte zu beklagen. 

(Der Lavastrom erreicht Todoque)

Nachdem das hübsche alte Dörfchen Todoque samt Kirche komplett unter dem massiven rotglühenden Lavastrom verschwunden ist, erreichte dieser letzte Nacht das Meer und stürzt nun zwischen Pto. Tazacorte und Pto. Naos im nördlichen Teil der Playa Nueva die dort ca. 100 Meter hohe Steilküste hinunter ins Meer, um zischend und dampfend eine bereits deutlich erkennbare neue Halbinsel zu formen.  Denn trotz der Zerstörungen, die der Lavastrom anrichtet (insgesamt sind nun ca. 700 Gebäude verschwunden, davon etwa 400 Wohnhäuser), befindet sich die Insel La Palma objektiv noch in ihrer aufbauenden Phase  –  im Gegensatz z.B. zu den flacheren östlichen Inseln Lanzarote und Fuerteventura, wo die abbauenden erodierenden Kräfte überwiegen. Das liegt daran, dass sich La Palma zurzeit exakt über dem Hotspot eines Magmakamins befindet, der zwar nach menschlichem Ermessen nur ganz gelegentlich, in geologischen Zeiträumen betrachtet aber eigentlich permanent neues Material zur Oberfläche fördert und so die Insel immer weiter wachsen lässt. 

Damit sind nun allerdings auch sämtliche Straßen auf der Westseite in den Süden der Insel gekappt, und es wird möglicherweise Jahre dauern, bis wir wieder direkt nach Pto. Naos, El Remo oder Fuencaliente fahren können.  Bis dahin müsste man zunächst durch den Tunnel zur Ostseite und dann über Fuencaliente im Süden nach Pto. Naos im Südwesten fahren  –  was man sich sicher nur sehr selten antun wird.  Insofern wird dieser Ort wohl für einige Zeit in einen Dornröschenschlaf fallen, auch wenn er weiterhin von der Lava nicht direkt betroffen sein sollte.  Zurzeit kommt freilich eh niemand dort hin, denn die Orte zwischen La Laguna und Pto. Naos (mit dem Lavastrom in der Mitte) sind  – soweit nicht verschüttet –  evakuiert und nicht betretbar.  Was nun auch noch viele verlassene Bananenfincas verdorren lässt, die gar nicht direkt betroffen sind  –  apropos verdorren:  Neben den Straßen sind natürlich auch die Bewässerungskanäle sowie Strom- und sonstige Leitungen in den Süden zerstört.  Hinzu kommt, dass auch viele Bewohner von nicht evakuierten, gleichwohl relativ nah zum Vulkan positionierten Ortschaften wie El Paso und sogar Los Llanos zu Freunden und Verwandten im Norden oder gleich auf Nachbarinseln ziehen, da sie vom ständigen, wahrlich ohrenbetäubenden Fauchen und Donnern des Vulkans und den begleitenden, teils heftigen Erdstößen nervlich zerrüttet und schlichtweg verängstigt sind.

Während die meisten Touristen sofort nach dem Ausbruch nach Teneriffa gebracht wurden, leben seit der Schließung des Flughafens viele evakuierte Familien in Sammelunterkünften wie Schulen und Sporteinrichtungen.  Neben der kaum vorstellbaren seelischen Not, teils wirklich ALLES (!) verloren zu haben  – manche Betroffene konnten nicht einmal mehr ihre Papiere, geschweige materielle Dinge aus ihren Häusern bergen, da die Lava in einigen Bereichen einfach zu schnell war –  finden sie hier einen gewissen Trost in der wirklich auffälligen und anrührenden Solidarität der übrigen Palmeros einschließlich zugewanderter Mitbürger:  Es gibt jede Menge Sachspenden und freiwillige Helfer  –  und die Regierung hat die Insel gestern zum Katastrophengebiet erklärt, wodurch Hilfslieferungen schneller greifen sollen. 

Woran es freilich immer fehlt, ist Bargeld  – 
so dass ich die von einigen Mitlesern aufgeworfene Frage nach Spendenmöglichkeiten für hier auf der Insel in Not geratene Menschen gern aufgreifen und so weit mir möglich publik machen will: 

Das offizielle Spendenkonto ist dieses hier:
IBAN:    ES47 2100 9169 0122 0017 9456
BIC:       CAIXESBBXXX 
Empfänger:    Cabildo Insular de La Palma
Verwendungszweck:     Donación volcán

Persönlich kann ich unser Glück kaum fassen, zufällig in einer derart sicher scheinenden Entfernung vom Vulkan zu leben:  Zwar hört man auch hier in La Punta das Grollen des Vulkans ohne Unterlass und sieht sowohl tagsüber die Rauchsäule wie einen Atompilz über den Time-Bergrücken aufsteigen, wie auch nachts den roten Feuer-Widerschein am Himmel  –  aber wir glauben den Aussagen der Wissenschaftler, dass die nördliche Caldera zu einem älteren, vulkanisch nicht mehr aktiven Inselbereich gehört, und befinden uns zudem durch den Bergrücken in (hoffentlich) perfekter Deckung.  Auch der Aschefall hält sich  – verglichen mit anderen Inselbereichen –  bislang in erträglichen Dimensionen.

Mindestens zweimal täglich (einmal bei Tageslicht für den Überblick  –  und einmal bei Nacht, um die gewaltige Feuerfontäne und das orangerote Glühen des nunmehr komplett aus den Bergen bis zum Meer reichenden Lavastroms zu beobachten) unternehmen wir aber die fünfminütige Fahrt zum El Time-Aussichtspunkt, um uns auf den aktuellen Stand des Ausbruchs zu bringen, und um gemeinsam mit anderen Schaulustigen und internationalen Fernsehteams das schaurige Spektakel mit arg zwiespältigen Gefühlen zu bewundern.  Morgen freilich wollen wir unsere Komfortzone einmal mehr verlassen und das Aridanetal (mit dem nahen Vulkan) passieren auf dem Weg durch den Tunnel zur Ostseite in die Inselhauptstadt Santa Cruz, um dort im Cabildo (Inselregierung) einige Steuerangelegenheiten zu regeln.  Drüben soll der Aschefall deutlich stärker sein, weshalb der Fughafen geschlossen werden musste.  Im Hafen der Hauptstadt warten daher viele Menschen auf einen Platz in einer Fähre zu den Nachbarinseln.  Wir werden aber abends wieder heimkommen  –  schon weil wir viel nervöser wären, wenn wir nicht hier wären. 

Nun grüße ich Euch durch die Nacht von der glühenden Insel  – 
Euch alles Gute, und bleibt gesund und zuversichtlich,

Thomas  

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1. Bericht — La Palma, Do. 23.09.21

Liebe Freunde,

da ich zurzeit sehr viele besorgte Anfragen erhalte, die ich gerade jetzt nicht alle einzeln angemessen beantworten kann, erlaube ich mir, hier kurz eine (aussagekräftigere) „Rundmail“ für alle zu erstellen: 

In Kurz:
–  Ja:  Wir sind gerade auf La Palma;  und
–  Nein:  Wir sind vom Vulkanausbruch nicht direkt (i.S.v. schädlich) betroffen. 


Etwas detaillierter:

Der Vulkanausbruch überraschte uns am letzten Sonntag (19.09.) am frühen Nachmittag, nachdem es in den Tagen vorher im südlichen Teil der Insel vor allem oberhalb von Puerto Naos an- und abschwellende sogn. Erdbebenschwärme gab, die man in den Gebieten zwischen El Paso und Puerto Naos teils auch deutlich spüren konnte. 

Solche Erdbebenschwärme zeigen aufsteigende Magma unter der Insel an, und können  – müssen aber nicht –  Vorboten eines Vulkanausbruchs sein. Weshalb alle Bewohner des Bereichs gebeten wurden, sich mit einem gepackten Notkoffer für eine etwaige Evakuierung bereit zu halten. 

Da die Schwarmbeben am Samstag eigentlich eher abnahmen und teils ganz ausblieben, glaubten viele bereits an einen „Blinden Alarm“, von denen es in den letzten Jahren schon etliche gegeben hatte.  Auch die Nachrichten beruhigten dahingehend, dass es beim „gelben Alarm“ (vor orange und rot) geblieben sei. 

Daher waren wir am Sonntag doch einigermaßen überrascht, als es plötzlich einen enormen Rumms gab (ähnlich einem Schallmauerdurchbruch), den auch wir Bewohner des Inselnordens deutlich hörten, gefolgt vom Geräusch eines startenden Düsenjägers  – und unmittelbar darauf der Ausbruch eines neuen Vulkans im südwestlichen Teil der Insel nur wenig südlich von Los Llanos, etwa auf der Höhe von El Paso in der Flanke des Cumbre-Vieja-Naturparks, vermeldet wurde.   

Wir wohnen im Dorf La Punta de Tijarafe nur wenige Minuten von der Steilwand des El Time entfernt, wo man an normalen Tagen vom gleichnamigen Aussichtspunkt einen grandiosen Blick über das Aridanetal mit Los Llanos bis in den Süden der Insel hat. Bald fanden wir uns dort mit vielen Freunden ein und beobachteten mit einer Mischung aus Faszination und Erschütterung eine Art Atompilz über der etwa 10 km Luftlinie entfernten Cumbre Vieja, die mit ihrem von unzähligen Vulkankratern gezeichneten knapp 2.000 m hohen Bergrücken „Ruta de los Volcanes“ den gesamten Süden der Insel bildet:  

Genau 50 Jahre nach dem letzten Ausbruch dieses Vulkankomplexes, als sich im Oktober 1971 am Südzipfel der Insel ein später „Volcan Teneguía“ genannter Schlund öffnete und 24 Tage lang glühende Lava ins Meer ergoss, war er jetzt eher unerwartet fast im Zentralbereich der Insel erneut aktiv geworden (allgemein war man von einem Ausbruch deutlich weiter südlich ausgegangen). 

Seither schießt dieser neue, bislang noch namenlose Vulkan ununterbrochen eine gewaltige, lt. Nachrichten bis 500 m hohe Feuerfontäne (plus kilometerhohe Rauchsäule) in den Himmel, während aus dem stetig wachsenden Kegel ein zähflüssiger, hellrot glühender Lavastrom austritt und die Hänge hinunter auf dicht besiedeltes Gebiet zuhält.

Nach Sonnenuntergang begann das Spektakel erst richtig, als man das dunkelrote bis hellorangene Feuerwerk – vom Vollmond zusätzlich mystisch in Szene gesetzt – durch die Nacht leuhten sah: An der Front des Lavastroms blitzten immer wieder Stichflammen auf, wenn zunächst Bäume, im tieferen (bewohnten) Bereich dann leider auch Häuser in Flammen aufgingen.  Erst langsam begriffen wir, dass sich hier ein Drama anbahnte.

Im wahrsten Sinne des Wortes SCHRECKLICH schön:
Schon innerhalb der ersten 24 Stunden waren über 100 Häuser vom unaufhaltsamen, 6 bis 15 Meter hohen  und über hundert Meter breiten Lavastrom geschluckt worden. Die Straßen in den Süden waren bald von der Lava gekappt  –  freilich war das gesamte Gebiet eh nicht mehr aufsuchbar, da komplett evakuiert und gesperrt.

Am Montag kamen derart viele Schaulustige von der Ostseite, dass die Bergstraße zum Tunnel zeitweise gesperrt werden musste. Ich hatte einen TÜV-Termin in El Paso, wodurch wir dem Vulkan nun auch sehr nahe kamen  –  der stramme Nordost-Passat trieb die Ascheschwaden dankenswerterweise von uns weg Richtung Meer. 

Spätestens ab Dienstag wurde klar, dass der Ausbruch kein kurzer sein würde, und mindestens der schöne alte Ort Todoque exakt in Fließrichtung der Lava liegt. Der Druck der Fontäne schien noch stärker geworden zu sein, während die Lava so zäh war, dass sie langsamer als prognostiziert vorankam.

Was die Häuser in ihrem Weg aber nicht retten konnte  –  schon mehrere Bekannte hatten Totalverlust zu beklagen:  Stand heute (Mittwoch abend) sind bereits ca. 400 Häuser verschwunden.

Während die evakuierten Touristen zum Großteil die Insel über den zurzeit noch offenen Flughafen (günstige Windrichtung) verließen, schlüpfen evakuierte Inselbewohner zumeist bei Verwandten und Bekannten (oder halt Sammelzentren) unter  –  auch wir haben inzwischen Vulkanflüchtlinge zu Gast. 

Heute Mittwoch war unser Ort über Nacht von feiner schwarzer Lava-Asche bedeckt worden  –  wir fegten den scharfkantigen Sand vorsichtig wie weiland in Deutschland den Neuschnee vom Auto (und den Solarpaneelen) und tragen jetzt draußen auch brav unsere Corona-Masken, um nicht zu viel vom Staub einzuatmen. Der Schwefelgeruch ist schon arg genug. 

Heute früh wurde von den Nachrichten verkündet, dass den Evakuierten von Todoque gestattet wäre, tagsüber bis 19:00 Uhr ihre wichtigsten Dokumente und etwaige zurückgelassene Tiere zu bergen  –  danach würde der Ort aufgegeben. 

Tatsächlich erreichte die erste Lavazunge den Ortskern von Todoque jedoch schon am Nachmittag, und das beliebte Restaurant eines Freundes verschwand auf Nimmerwiedersehen unter den Glutschichten:  Im Fernsehen sahen wir zu, wie das mehrstöckige Haus von der Lava erst wie Papier zerdrückt und dann begraben wurde. 

Im Augenblick (nach Mitternacht, gerade waren wir noch mal am Time) donnert der Vulkan alle paar Minuten erschreckend laut vor sich hin, während sich weitere Schlünde geöffnet haben und nun wohl den Ort Tacande bedrohen.  Für morgen rechnen wir mit schlimmen Bildern, zumindest was Todoque betrifft. Ein Ende ist bislang nicht absehbar  –  solche Ausbrüche dauern hier erfahrungsgemäß einige Wochen bis Monate. 

Da ich immer wieder gefragt werde, ob ich die Insel jetzt nicht lieber verlassen möchte:
Auf keinen Fall  –  weil hier habe ich die Sache vor Augen und weiß Bescheid,
während ich überall woanders nur viel nervöser wäre, da ich nichts wüsste.  Auch die Evakuierten leiden hier am meisten darüber, dass sie nicht wissen, wie es aktuell tatsächlich um ihr Haus steht.  

–> Immerhin gilt für uns: Wir sind hier hinterm Berg weitgehend in Sicherheit und müssen nicht mit direkten Schäden rechnen. Leider haben aber viele Freunde aus dem Tal alles verloren (bzw. werden):  Der Vulkan auf der „Isla bonita“ ist eine (sehr schöne) Bestie..!! 

Soviel für heute  – wir sind hier jetzt zwar beschäftigt,
aber die Vorbereitungen für unsere (teils fast ausgebuchten) Afrika-Touren ab Ende November laufen weiter und werden  – sofern Corona es zulässt (und danach sieht es dank Impfungen zurzeit ja aus) –  auch stattfinden. 

Mit feurig-herzlichem Gruß vom erwachten „Teufel im Vulkan (Buchtitel eines La-Palma-Romans, basierend auf einer alten Legende),

Euch alles Gute  – 
bleibt gesund, 
und auch sonst von Unbill verschont !! 

Thomas