Erkundung Indonesien – Borneo, Komodo, Flores, Bali..

(mit Abstecher zur Sonnenfinsternis in Timor Leste)

 

Nusa Penida, Mittwoch 10.05.23

Nusa Penida:  Balis kleine Schwester

Liebe Leute,

die letzten Tage unserer Erkundungsexpedition durch Indonesien sind angebrochen – wir verbringen sie nach einem kurzen Besuch von Bali vor allem auf deren kleiner Schwesterinsel Nusa Penida.

Letzte Woche verließen wir Labuan Bajo gerade in dem Augenblick, als dort die Sicherheitsmaßnahmen wg. des jetzt dort stattfindenden ASEAN-Gipfels einsetzten: Mit Mühe schafften wir es rechtzeitig durch die Straßensperren zum kleinen Flughafen, alles gesichert von hunderten Militärpolizisten auf schweren Elektro-(!)-motorrädern.

Nachdem wir nun von Flores kommend das neue innerindonesische Flug-Drehkreuz Bali erreicht hatten, schauten wir uns hier noch einmal im angeblich besonders authentischen Ubud um und können dazu Folgendes berichten:

Bali ist nach wie vor eine schöne Insel – nur wissen das inzwischen nicht nur Entspannung suchende Europäer, sondern auch shoppende und Instagram-Hotspot-fotografierende Asiaten, so dass die Insel nach Corona jetzt von sehr (!) vielen Besuchern zu jeder Jahreszeit arg überlaufen ist.  Auf den schon vor 10 Jahren von Zweirädern überfüllten schmalen Landstraßen drängeln sich jetzt jede Menge neuer Vans und SUVs aneinander vorbei und verstopfen die Straßen gnadenlos.  So gut wie jedes Haus ist zum Homestay, Restaurant oder Shop aufgebohrt, und auch die einst so malerischen grünen Reisterrassen werden zunehmend mit Gästehäusern bebaut.

Wir haben uns relativ bald von diesem wenig relaxten Trubel gelöst und auf die ruhigere Nachbarinsel Nusa Penida verdrückt – und sind damit ganz gut gefahren:

Zwar wird auch diese Insel gern von Bali-Touristen für einen kurzen Tagesbesuch angefahren – sie erreichen Penida aber erst am späten Vormittag und reisen nachmittags schon wieder ab, so dass die Insel spätestens dann ihren eher verschlafenen Charakter zurück erhält.  Einheimische und Mehrtages-Besucher leben hier in einem ruhigeren Modus; die Mischung aus traditioneller und Traveller-Kultur ist bislang angenehm unaufdringlich.

Nusa Penida hat an den Küsten bizarre Landschaftsformen ausgebildet und zwischen diese herrliche Sandstrände gezaubert, die nur über teils steile Treppen zu erreichen sind.  Es gibt relativ wenige Bewohner, die hauptsächlich nahe der Küste  – vor allem im Norden –  leben, während das Inselinnere grün und ursprünglich wirkt.  Überall kann man sich an frischen Kokosnüssen oder in kleinen Cafés günstig laben.  Im ruhigen Hauptort mit Hafen findet sich auch die überschaubare Travellergemeinde in kleinen Gasthäusern ein; für gehobenere Ansprüche stehen einige schöne Resorts bereit.

Wir haben Penida mit dem Roller kreuz und quer erkundet und sind begeistert von der Freundlichkeit der Einheimischen, der einfachen aber zweckmäßigen Infrastruktur und der prallen Natur dieser grünen Insel.  Um dem Ansturm der Tagesbesucher zu entgehen, bleibt man über die heißen Mittagsstunden gern am Pool der Unterkunft, während man früh morgens lange vor jedem Touri-Trubel zum Schnorcheln rausfährt und im kristallklaren Wasser mit elegant vorübersegelnden Mantarochen und abertausenden bunten Rifffischen über fantastischen Korallengärten schwimmt.  Den späteren Nachmittag verbringt man dann gern in versteckten, mit feinem weißen Sandstrand gesäumten Buchten, um sich in den warmen Wellen zu erfrischen – oder man spaziert z.B. durch den grünen Tropenwald zu einem Höhlentempel:  Hier ist die Welt noch ganz „Bali“.  🙂

Am kommenden Wochenende ist die Ruhe für uns leider vorbei und wir fliegen zurück nach Bangkok, wo Phet gleich am Sonntag ihrer demokratischen Pflicht zur Wahl nachkommt:  Zum ersten Mal seit Langem besteht eine reelle Chance, die thailändische Militärputschregierung abzuwählen.  Ende Mai werden wir in Berlin sein und Mitte Juni nach La Palma kommen, wo ich dann auch die Ausschreibung für unser neues Orang Utans und Komodo-Warane-Programm ausschreiben und an den Freundeskreisverteiler versenden kann.

Bis dahin danken wir allen Lesern für Euer Interesse und wünschen Euch alles Gute – vielleicht können wir ja die hier beschriebenen Naturschönheiten bald gemeinsam weiter erkunden: Das würde uns natürlich riesig freuen..!!

Ganz herzliche Grüße derweil von einer grünen tropischen Insel im Indischen Ozean,
Thomas und Phet 🙂 🙂

 

 

Labuan Bajo – Flores,  Sa. 29.04.23

Flores – Komodo:  Die letzten Drachen

Liebe Leute,

soeben sind wir zurück von unserer Schiffsrundreise durch den Komodo-Archipel:

Nachdem wir letzten Sonntag aus Dili (Timor Leste) kommend entlang des Bogens der kleinen Sunda-Inseln den Komodo-Archipel bereits überflogen und Bali erreicht hatten, blieben wir dort nur eine Nacht (ein direkter Weiterflug nach Flores schien uns zu heikel, da die indonesischen Einreiseprozeduren den Anschlussflug hätten platzen lassen können) in einem Hotel in fußläufiger Entfernung vom Flughafen und setzten ganz bequem am Montag den Flug nach Labuan Bajo auf Flores (wieder halber Weg Richtung Dili) fort.

Die Insel Komodo vom Flieger aus gesehen: In der Bucht da unten haben wir später geankert 🙂

Im Gegensatz zum weitgehend unbewohnten Komodo-Archipel, der zwischen den Sunda-Inseln Sumbawa und Flores liegt und aus dutzenden, wenn nicht hunderten kleiner Inseln und aus dem Meer ragenden Felsen besteht (einschließlich gefährlicher Untiefen, die die Wasseroberfläche nicht durchstoßende Felsen unter Wasser bilden und dort starke Strömungen und Strudel verursachen), ist Flores seit Alters her von verschiedenen Volksstämmen besiedelt (hier lebte schon in grauer Vorzeit der aufgrund seines Zwergenwuchses als „Hobbit“ bekannt gewordene Homo florensis) und wurde im 16. Jahrhundert zunächst von den Portugiesen kolonisiert, die der Insel ihren blumigen Namen gaben und sie so erfolgreich missionierten, dass bis heute ca. 90% der Bewohner katholischen Glaubens sind.  Allerdings gelangte Flores später unter holländisches Regime, sodass die Insel  – im Gegensatz zu Timor Leste –  schon gleich nach dem zweiten Weltkrieg als Teil Indonesiens unabhängig wurde.

Blick von Flores auf den Komodo-Archipel

Im Westen der Insel Flores lebt der Volksstamm der Bajó, und ihr Hauptort ist Labuan Bajo – heute touristischer Hotspot für die Schiffsexpeditionen zu den Komodo Dragons, wie die nur in diesem Archipel vorkommenden Riesen- oder eben Komodo-Warane hier genannt werden.  Wir beziehen ein Hotel am Hang mit Blick auf den Hafen und bummeln erstmal durch die schmalen Gassen, die als Einbahnstraßen angelegt sind und hauptsächlich kleine Tourenanbieter und einige Cafés beherbergen, aber kaum sonstige Geschäfte und Restaurants.  Auch Strände gibt es hier nicht:  Alles ist für die Einschiffung zu den Inseln ausgelegt.

Blick über Labuan Bajo zur Hafenbucht

Am Dienstag mieten wir einen Roller und checken verschiedene Hotels, falls wir hier Gruppen übernachten lassen müssen – da der Ort absolut nix hergibt, beziehen wir auch die entfernteren Buchten mit Stränden ein und werden schnell fündig.  Abends treffen wir uns mit Lukas von den Local Guides, einem Einheimischen mit guten Englischkenntnissen, der mit uns die nächsten Tage an Bord bespricht.

Unser stehts gut aufgelegter Guide Lukas 🙂

Am Mittwoch Vormittag holt er uns ab und bringt uns zum Schiff:  Ein klassisches, sehr einfaches  Holzboot, auf welchem wir eine von drei Kabinen beziehen (die beiden anderen bleiben für Staff und Guide).  Gemeinschafts-Schöpfkellen-Klo und Dusche mit Salzwasser – wir wollten ja was Preiswertes.  Die Staff (Käpt’n, Koch und zwei Bootsjungen) ist sehr nett, spricht aber kein Englisch – das frisch zubereitete Essen (viel Fisch und Gemüse) ist jedoch vom Feinsten.  Freilich schaue ich mich sofort nach Booten um, die für Freundeskreisgruppen in Frage kämen:  Es gibt nämlich auch solche mit 6 bis 7 Doppelkabinen, alle mit eigenem Bad und Süßwasserdusche.  Andere Preisklasse halt – aber nicht so schockierend wie etwa in Afrika.

Unser Schiff, die Munamugi 🙂

Drei Tage und zwei Nächte schippern wir nun durch diese Inselwelt:

Bizarre (Film-) Kulissen prägen den Archipel 🙂

Wir schnorcheln in fantastisch bunten Korallenriffen, besteigen grandiose Aussichtspunkte (die sind zurzeit etwas überlaufen, weil so viele Einheimische die Ferien am Ende des Fastenmonats Ramadan für Eintagestouren nutzen), und besuchen natürlich die Rangerstationen auf den Inseln Rinca und Komodo, wo wir tatsächlich den hier frei lebenden „Drachen“ begegnen.  Sie werden bis zu vier Meter lang und wirken wie hochgelegte Krokodile – und könnten theoretisch auch dem Menschen gefährlich werden, da sie reine Fleischfresser sind und es neben den hier lebenden Affen, Hirschen und Wildschweinen sogar mit wilden Wasserbüffeln aufnehmen.

Wobei sie eher ungefährlich sind, solange sie laufen – ihr Jagdverhalten ist nämlich recht exotisch:  Sie liegen  – aufgrund ihrer perfekten Tarnfarbe quasi unsichtbar –  still auf dem Boden und tun so, als ob sie schlafen.  Gerät ein unaufmerksames Tier  – vor allem am Wasserloch –  zu nah an so einen Drachen, fährt der plötzlich auf und beißt einmal zu.  Danach legt er sich wieder hin, als hätte er das Tier nur verscheuchen wollen.

Nur scheinbar schlafend: Ein auf Beute lauernder Komodo-Waran

Das Beutetier ist zwar erschrocken weggesprungen, zieht dann aber erst mal weiter.  Leider hört die Wunde nicht auf zu bluten, und ein tödlicher Bakteriencocktail aus dem Maul des Drachen beginnt zu wirken:  Die Wunde entzündet sich, bald breitet sich eine Sepsis aus.  Nach wenigen Tagen verendet das Tier irgendwo im Busch.

Ein Sunda-Hirsch: Bevorzugtes Beutetier des Komodowarans

Der Drache weiß das und folgt seinem Opfer beharrlich:  Er riecht seine Beute bzw. das tropfende Blut über Kilometer und lässt es quasi nicht aus den Augen – bzw. aus der Zunge, denn seine Riechzellen befinden sich auf der schlangenartig züngelnden gespaltenen Zunge.  Sobald das Opfer verendet ist, wimmeln neben ihm noch andere Komodo-Warane heran und schlagen sich um die Beute, um sie schließlich zu zerreißen.  Oder auch  – bei passender Größe (bis ca. ziegengroß) –  im Stück herunterzuwürgen.  Danach ist erstmal Ruhe:  Ein Komodo-Waran frisst nur ca. einmal im Monat.

Wir sollen einen Sicherheitsabstand von 10 Metern einhalten – trotzdem wurden schon Menschen gebissen, die dann umgehend eine starke Antibiotikabehandlung benötigen, um zu überleben.  Bald können wir uns denken, woran das liegt:  So mancher Tourist kommt beim Fotografieren deutlich näher als die 10 Meter.  Aber die Warane, denen wir begegnen, sind offenbar satt – sie ziehen ungerührt ihrer Wege.

Ich fühle mich sowohl an die Galapagos- wie die Fidschi-Inseln erinnert:  Durch ganz ähnlichen Wald sind wir auf Galapagos auf der Suche nach Meerechsen und Riesenschildkröten gewandert; und auf Fidschi sind wir in ähnlichen Strandbuchten und Korallengärten geschnorchelt.  Die Korallen sehen hier zwar anders aus, sind aber wunderschön farbig und voller bunter Rifffische; immer wieder paddeln auch Meeresschildkröten stoisch neben mir her.

Gelegentlich wird das Schiff von riesigen Manta- oder Teufels-Rochen begleitet – Spannweite bis zu 7 Metern und über eine Tonne schwer.  Beim Schnorcheln kurven sie dennoch anmutig um uns herum.  Als ein Manta mit seinem offenen, gefühlt scheunengroßen Maul direkt auf mich zuhält, denke ich, er wird mich gleich schlucken – aber der völlig harmlose Planktonfresser schwingt in einer graziösen doppelten Schraube um mich herum und lacht sich vermutlich schlapp.

Auf dem Rückweg nach Labuan haben wir eben noch zwei Insel-Resorts besucht, die natürlich der ultimative Abschluss für einen solchen Törn wären:  Eins davon einfach märchenhaft schön am Strand mit Korallen-Schnorchelrevier direkt vor der (luxuriösen) Hütte; das andere leider verschlossen:  Knocking on Heavens Door – aber kein Einlass.  Auch nicht schlimm:  Der Strand sah hier eh nicht sehr sauber aus – vermutlich Corona-Nachwehen.

Fidschi-mäßiges Insel-Resort in Alleinlage 🙂

Nun sind wir wieder im Hotel am grünen Hang und erwarten per Email die Preislisten und Verträge der angesprochenen etwaigen Partner:  Eben ist eine erste Liste eingetroffen, und ich werde sie gleich sondieren.  Drei Tage bleiben uns hier, und ein noch geplanter Ausflug ins Hinterland von Flores wird möglicherweise durch die gerade einsetzenden Sicherheitsmaßnahmen für einen ausgerechnet jetzt hier anstehenden ASEAN-Gipfel vereitelt.  Aber das Ziel unserer Reise ist bereits erreicht:  Ein fantastisches Freundeskreisprogramm ist erkundet und kann jetzt konkretisiert werden.

Tolle Blicke wollen auch die Einheimischen genießen am Ende des Ramadan 🙂

Da der Heimweg nach Bangkok eh via Bali geht, werden wir dort noch einmal Zwischenstation machen und Alternativen für diesen zum Moloch mutierten Inseltraum erkunden – vor allem auf der Nachbarinsel Nusa Penida.  Dazu werden wir sicher einen abschließenden Bericht bei Heimkehr hier einstellen – bis dahin ganz liebe Grüße aus der sonnigen blauen Flores-See,

Thomas und Phet

 

 

Dili – Timor Leste, Sa. 22.04.23

Totale Sonnenfinsternis in Timor Leste am 20. April 2023

Liebe Leute,

nun haben wir sie hinter uns: Die totale Sonnenfinsternis dieses Jahres am wohl freundlichsten Ar… der Welt, den man sich denken kann.

Doch der Reihe nach:

Aus dem Segeltörn am Mittwoch Morgen wurde nix, denn es hatte die ganze Nacht geregnet und hörte auch am Vormittag nicht auf.  Erst als es für ein Auslaufen zu spät ist, klart es auf – mit Blick auf das morgen anstehende Naturereignis immerhin ein Hoffnungsschimmer.  Über den ganzen Tag kommen immer mehr Reisende aus Europa und Asien an den Strand (Amis und Australier zieht es offenbar doch eher auf die abgelegene australische Exmouth-Halbinsel – und ich treffe auch keinen einzigen Deutschen).  Die beiden Gästehäuser sind längst voll, nun werden Zelte in den Höfen und am Strand aufgeschlagen, und manche Gäste übernachten einfach zwischen den Tischen der Restaurant-Terrasse – warm genug ist es ja.  Am Nachmittag sind wir mit einem vom Gästehaus geborgten Roller im Hinterland unterwegs und erleben, wie die einheimischen Kinder in einer Schule auf das bevorstehende Ereignis vorbereitet werden:  Einige Teleskope sind im Schulhof aufgebaut; und die Kids üben, wie man mit den Spezialbrillen in die Sonne schaut.

Aufgrund der ungewohnten Menschenmassen an diesem Strand haben die Einheimischen Marktstände aus Palmblättern aufgebaut und bieten Früchte (vor allem leckere Kokosnüsse) und ihre handwerklichen Erzeugnisse an – u.A. sogn. Tais: feine Webarbeiten, deren Wickeltücher die traditionelle Kleidung waren und heute (in angepasstem Format) gern als Schals und Tischläufer genutzt werden.

Die Regierung hat am Hafen eine Bühne aufbauen lassen – hier spielen am Abend erst Kinder einstudierte Stücke und dann Jugendbands auf.  Es wird dabei am Hafen so voll, dass ich dieses Gedränge schon für den Folgetag während der Eclipse am ganzen Strand vermute.  Immerhin hört die Musik um Punkt Mitternacht auf, und es kehrt auch aufgrund des Strommangels schnell totale Ruhe ein.

Der Donnerstag Morgen weckt uns mit einem fantastischen Sonnenaufgang auf blitzblankem Himmel:  Beste Voraussetzungen, sollte sich das Wetter bis Mittag halten.  Was es tut:  Am Strand haben sich jetzt auch die astronomischen Gesellschaften von Südkorea und Brunei eingefunden, und der Präsident von Timor Leste persönlich spricht auf der Bühne:  Es handelt sich um den 73-jährigen José Ramos HortaFriedensnobelpreisträger von 1996 für seine Verdienste um Versöhnung nach portugiesischer Kolonial- und indonesischer Besatzungszeit, der gerade eine zweite Amtszeit als Präsident angetreten hat.  Er freut sich über das internationale Interesse, welches das astronomische Ereignis seinem kleinen Land beschert, und lädt kurzerhand alle Gäste, die Timor Leste aus Anlass der Sonnenfinsternis besuchen, für den Tag nach der Finsternis in seinen Palast in Dili auf ein Dinner ein, um sich im Namen seines Volkes für ihren Aufwand, diese abgelegene Ecke der Welt zu erreichen, zu bedanken.

Um 11:46 beginnt das Spektakel bei wolkenlos blauem Himmel: Langsam beginnt sich „von 9 Uhr“ die schwarze Scheibe des Mondes über die gleißende Sonne zu schieben. Wir stehen mit unseren vier russischen Freunden (das Pärchen vom Flughafen hat sich auch eingefunden) und vielen anderen uns inzwischen bekannten „eclipse-chasern“ am Strand und starren immer wieder mit den Spezialbrillen fasziniert in die Sonne, wie sie vom Mond zunehmend „gefressen“ wird.  Zwischendurch erfrischen wir uns im klaren Wasser des ruhigen Meeres – bis wir feststellen, dass die stechende Hitze nachgelassen hat und der Strand in ein zunehmend mildes rötliches Licht getaucht wird.

Um 13:21 ist es soweit:  Schlagartig verdunkelt sich der Strand, der Himmel ist jetzt von tintenblauer Farbe, nur am Horizont leuchtet es rot wie in einer Abenddämmerung – allerdings rund herum, während unser Zentralgestirn weiterhin fast im Zenit steht. Wir nehmen die Brillen ab und schauen fasziniert in die Sonne:  Sie ist schwarz – von einem breiten hellen Corona-Leuchten umgeben, auf einem samtig dunkelblauen Himmels-Untergrund.  Ganz nah links neben der Sonne funkelt der Jupiter, und rechts von der Sonne etwas weiter entfernt die Venus.  Unfassbar schön – und (wie wir erst später realisieren) viel schöner als auf den Fotos, die man immer sieht, da dort aufgrund der notwendigen Filter sowohl Sonne wie Himmel schwarz sind und nur der Corona-Kranz leuchtet:  In Wahrheit ist das Ganze also wunderschön farbig durch den tintenblauen Grund und den tiefroten Ring am Horizont.

Diese Aufnahme ist mit dem Handy gemacht und entsprechend mau: Die schwarze Sonne scheint hier von ihrer Corona komplett überstrahlt.  Aber man sieht den tiefblauen Himmel und den Jupiter links im Bild funkeln 🙂

Das Land um uns herum liegt jetzt im Nachtschatten und ist plötzlich spürbar kühl und still:  Nicht nur die Menschen schweigen gebannt in den Himmel – auch die Tiere geben keinen Mucks.  Sogar der Wind hat sich gelegt, und das Meer liegt spiegelglatt.  So verharrt die Welt in einer andächtigen Schweigeminute..

Das erste gleißende Licht der freiwerdenden Sonne zwingt uns wieder die Brillen auf – und entspannt die Situation in einem gelösten, freudigen Jubel den ganzen Strand entlang:  Wir waren dabei, und die Wettergötter gnädig – besser kann eine Sonnenfinsternis nicht ablaufen.  Wir machen Fotos ohne Ende und springen völlig jeck wieder ins Wasser – wissend, dass viel hätte schief laufen können, aber halt nicht ist.  Ein großer Dank an unsere neuen und alten Schutzengel, dass sie uns dieses Erlebnis vergönnt haben..!!

Unmittelbar nach der Totalität beginnt der Exodus vom Strand:  Vor allem die einheimischen Familien, die das Ereignis für ein gemeinsames Grillen am Strand nutzten, reisen in einer unaufhörlichen Schlange von Fahrzeugen ab.  Auch unsere Freunde mit dem Segelboot wollen sogleich die Anker lichten, um bis zum nächsten Tag in Dili zum Empfang zu sein.  Als der letzte Rest des Mondes das Sonnenfeld gegen 15 Uhr Richtung „3 Uhr“ verlässt, ist es am Strand schon wieder ruhig – und bald sitzen wir mit den wenigen Verbliebenen allein beim Bierchen, genießen die aufkommende Ruhe und schwelgen im Erlebten.

Wir gehören jetzt quasi zum Inventar: Jeder Dorfbewohner kennt uns und grüßt uns wie alte Bekannte.  Immer wieder wird ein Schwätzchen geradebrecht – und wir haben mit den netten Russen ein letztes gemeinsames Abendmahl aus zusammengetragenen Resten (die Scharen haben keinen Fisch im Dorf übrig gelassen):  Morgen löst sich auch unsere kleine Schicksalsgemeinschaft wieder auf.  Die Zimmer reichen nun auch für die noch verbliebenen Gäste.

Unsere Planung war, den Freitag noch in diesem nun wieder (und bis auf Weiteres) untouristischen Fischerdorf am idyllisch-einsamen Strand zu verbringen und am Samstag früh den Bus nach Dili zu nehmen, um am Sonntag unseren Flug zurück nach Denpasar / Bali zu erreichen.  Nach den Erlebnissen der Hinreise und den ständig wechselnden Ansagen wagen wir das aber nicht aufrechtzuerhalten:  Denn wenn dann am Samstag mangels Nachfrage kein Bus nach Dili ginge, wären wir aufgeschmissen.  Daher nehmen wir schon am Freitag den Bus, der morgens hupend durch das Dorf fährt, und kommen unerwartet problemlos nach flotter Fahrt die Küstenstraße entlang schon nachmittags in Dili an.

Wenn wir nun aber schon so rechtzeitig da sind – dann können wir ja auch am Präsidentenempfang teilnehmen:  Wir machen uns in unserem Guesthouse fix frisch und fahren gemeinsam mit anderen astronomiebegeisterten Eclipse-Chasern zum kleinen aber feinen pinkfarbenen Palast mit schönem Blick über Dili zum Meer.  Der freundliche Präsident stößt quasi mit jedem Gast persönlich an, und ich kann mich eine Weile mit seiner Tourismusbeauftragten unterhalten:  Wäre es nicht genial, dieses schöne Land mit seinen freundlichen Bewohnern touristisch nachhaltig erschließen zu können?  Aber um das wirklich anzugehen, muss wohl erst mal das Internetproblem gelöst werden, um aus der Ferne vernünftig in Kontakt treten zu können..

Präsident José Ramos Horta, der als junger Mann am Unabhängigkeitskampf teilnahm und für seine Versöhnungsbemühungen 1996 den Friedensnobelpreis erhielt, lässt es sich nicht nehmen, mit quasi jedem Gast auf seiner SoFi-Dinnerparty persönlich anzustoßen 🙂

Wir haben viel Spaß mit den Palast-Angestellten und einer Tanzgruppe, die alle fotografiert werden wollen und darum bitten, ihnen die Fotos per WhatsApp zu schicken.  So sammeln sich dutzende Nummern auf unseren Telefonen – und später wissen wir nicht recht, welche Fotos an welche Nummern geschickt werden müssen.  Nach dem Ende der Veranstaltung trifft sich ein harter Kern noch in Dili in einer netten (oder einzigen?) Strandbar.

So hatten wir den heutigen Samstag programmfrei vor uns – weshalb wir uns privat einen Roller gemietet haben und zu den Stränden und  Buchten rund um Dili düsen.  Manche auf der Karte als „Hauptstraße“ erscheinende Route erweist sich dabei als übelst ausgewaschene Schotterpiste, und an manchem Bilderbuchstrand gibt es statt des erhofften Grillfischlokals nur ein paar palmblattgedeckte Fischerhütten mit freundlichen, aber scheuen barfüßigen Menschen, die hier einfach nur ihre Netze flicken und mit dem Einbaum-Auslegerkanu zum Fischen rauspaddeln.  Die kulturellen Zeitsprünge sind verwirrend.  Schließlich finden wir aber unseren frischen Grillfisch am Strand und schließen Timor Leste angemessen ab:  Morgen werden wir den Flug entlang der Kette der Sunda-Inseln zurück nach Bali nehmen und von dort weiter nach Flores zu den Komodo-Drachen in See stechen.

Dazu dann später wieder mehr –
bis dahin ganz liebe Grüße von der tapferen und freundlichen Insel Osttimor,
Thomas und Phet 🙂

PS.:
Da ich wg. Laptopstreik immer am Handy arbeiten muss, habe ich jetzt erst mitbekommen, dass die Fotos als Thumbnails hochgeladen wurden.  Soeben habe ich herausgefunden, wie man das ändert – werde aber erst bei Gelegenheit die bislang verzockten Winzbilder „aufblasen“ können..  (Update: Ist passiert
🙂 )

 

HEUREKA
wir haben sie nun erlebt, die totale Sonnenfinsternis vom 20.April 2023 in Timor Leste – bald gibt es hier einen Bericht dazu, und jetzt schon Bilder in WhatsApp-Status und Facebook-Story (nur 24 Std.).

 

Com – Timor Leste, Di. 18.04.23

Bali-Schock und Timor-Leste-Urspünglichkeit

Liebe Leute,

hier erreicht Euch ein erster Gruß aus Timor Leste, übersetzt „Östliche Ostinsel“, da Timur auf Indonesisch „Osten“ heißt und Leste dasselbe auf Portugiesisch. Und hier sitze ich gerade ganz im Osten direkt am Strand von Com – freilich nicht im Sand selbst, sondern auf der überdachten Terrasse unseres kleinen Gästehauses mit Blick auf die spiegelglatte See, wo eben eine Auslegerkanu-Regatta unter johlendem Beifall der (sehr geringen) melanesischen Bevölkerung direkt vor unserem Balkon stattfand. Jetzt ist es wieder so ruhig wie sonst eh immer..

TL war der erste Staat, der im 21. Jahrhundert unabhängig wurde – nachdem die ehemals portugiesische Kolonie nach der Lissaboner Nelkenrevolution 1975 kampflos in die Unabhängigkeit entlassen und eine Woche später von Indonesien okkupiert wurde. 25 Jahre lang führten die Ost-Timorer – die sich durch die portugiesische Kolonialzeit eher latinomäßige Kultur angeeignet hatten und als Christen mit dem rigiden muslimischen Konformismus nichts anfangen konnten – einen Unabhängigkeits-Guerillakrieg, bis nach einer Reihe von schrecklichen Massakern durch das indonesische Militär an der timorischen Zivilbevölkerung die Weltgemeinschaft einschritt und zuerst ein Referendum und dann die dort votierte Unabhängigkeit durchsetzte. (Damals galten Referenden noch was..)

Schon bei Ankunft am Flughafen von Dili, der kleinen Hauptstadt, fiel mir auf, dass die dem spanischen so ähnlichen portugiesischen Wurzeln der Landessprache Tetum mir das Zurechtfinden klar vereinfachten – gemessen an Indonesisch oder gar Thai. Die Lässigkeit des Lebens erinnert tatsächlich an Cuba (oder halt Brasilien); die im Überlandbus laut aufgedrehte Musik ist definitiv latino-inspiriert.

Doch der Reihe nach:
Wir hatten in Borneo noch zwei Tage lang mit den Local Guides ein mögliches Freundeskreis-Programm abgesprochen, mit Schwerpunkt auf den für alle Teilnehmer leicht machbaren Orang-Utan-Begegnungen per Schiff – wobei aus Platz- und Hygienegründen die Übernachtungen möglicherweise in einer wunderschönen, mitten im Nationalpark gelegenen Lodge stattfinden sollen, von der es dann täglich per Boot auf schmalen Wasserstraßen durch den Park geht. Im Gegensatz dazu werden die Dayak-Dschungelwanderungen den speziell interessierten und entsprechend konditionierten Gästen in einem Zusatzpaket vorbehalten bleiben müssen.

Über Surabaya erreichten wir das aufgrund seines neuen Flughafens zum innerindonesischen Drehkreuz avancierte Bali, wo wir zwei Tage lang den aktuellen Stand erkundeten: Genau 10 Jahre nach unserer ersten gemeinsamen Gruppe (thailändische Gäste) mussten Phet und ich leicht indigniert feststellen, dass Bali zu einem Massenanlaufpunkt „verkommen“ ist, wo sich der Verkehr auch in den einst beschaulicheren Gegenden um Ubud (im Inselinneren) unauflösbar staut und man sich als Tourist dichtgedrängt zwischen hunderten anderen Touristen die Gassen entlang schiebt – was an den völlig überlaufenen Stränden von Kuta ja schon länger so war. Wir werden daher im Anschluss an unser jetziges Erkundungsprogramm noch ein paar Tage dranhängen, um Balis Nachbarinsel Nusa Penida zu checken, von der gesagt wird, dass sie heute dem einstigen Bali ähnelt. Die Corona-Pause ist hier jedenfalls definitiv vorbei..

Welch ein Unterschied, als wir dann nach einem Flug mit fantastischer Sicht auf den gesamten Bogen der kleinen Sunda-Inseln auf deren östlichster in Timor Leste eintreffen: Der Flughafen mit den kleinen palmblattgedeckten Ankunftshallen erinnert an den alten Flughafen von Bali, und normalerweise gibt es hier noch keine Spur von Tourismus – wenn nicht gerade eine seltene totale Sonnenfinsternis ansteht: Zumindest alle anderen „weißen“ Gäste sind wegen dieses Ereignisses hier, welches diesmal weitgehend über Indischem und Pazifischem Ozean stattfindet, so dass man nicht viel Auswahl hat, will man sie beobachten: Die Exmouth-Halbinsel im australischen äußersten Nordwesten und der schmale Vogelkopfhals von Neuguinea sind ebenfalls schwierig zu erreichen.

Schon am Flughafen kommen wir mit einem jungen russischen Pärchen ins Gespräch – was schließlich auch politisch interessant wird, da sie mir versichern, dass weitgehend die gesamte junge Generation Russlands nicht hinter dem Ukraine-Krieg steht und sich wünschen würde, dass Putin lieber heute als morgen verschwindet. Wofür sie allerdings wenig Hoffnung sehen, da er sich hermetisch abschirmt: Auch Hitler habe niemand umbringen können, außer er sich selber. Auslandsreisen sind auch jungen Russen zurzeit (noch) nicht untersagt – auch wenn wohl jeder zweimal überlegt, ob es klug ist, wieder heimzukehren. In den Krieg würden sie jedenfalls nicht ziehen – schon weil sie kein Problem mit den Ukrainern haben und keinesfalls auf diese schießen wollten. Allerdings seien sie aus Moskau – Putin erhält noch immer genügend Nachschub an jungen ärmeren Landbewohnern, die der für russische Verhältnisse hohe Sold von ca. 2.000 Euro monatlich lockt, mit dem sie – im Gegensatz zu „normaler“ Arbeit – ihre Familie tatsächlich ernähren können. Die damit verbundenen Risiken verdrängen diese Leute dann.

Auch das Gästehaus in Dili, welches normalerweise froh über gelegentliche einzelne Gäste ist, hat jetzt alle drei Zimmer vermietet: Neben uns noch ein deutsch-indonesisches Pärchen (er auf Visa-run) will am Tag der Sonnenfinsternis mit einem Mietwagen am Strand von Com erscheinen (was ich für gewagt halte, da die zweihundert Kilometer schlechte Gebirgsstraße nicht zu unterschätzen sind); und zwei weitere Russen  – Dimitrij und Mischa -, die mit uns schon am Folgetag den öffentlichen Bus nach Com nehmen wollen.

Dieser Plan wird in einem derart jeder touristischen Infrastruktur entbehrenden Entwicklungsland dann doch zur Herausforderung: Da man die Bustickets nicht etwa im Voraus buchen kann, sondern erst im Bus löst, bringt uns unser Host mit seinem kleinen Uraltwagen und unserem Rumpfgepäck um 6 Uhr früh noch bei Dunkelheit zum Busbahnhof – allerdings platzt unterwegs ein Reifen, der Wechsel gestaltet sich als korrosionsbedingt hartnäckig, und so sind wir evtl. für die angeblich 4-stündige Tour zu spät am Terminal: Jedenfalls holt uns unser Host gegen 8 Uhr unverrichteter Dinge wieder ab und erklärt, dass er den Busfahrer für die Tour ab 12 Uhr mittags zu seinem Gästehaus (!) bestellt hat.

Tatsächlich können wir um 12:30 einen noch völlig leeren Bus besteigen: Wir freuen uns auf die Fahrt entlang der Nordküste und Ankunft in Com gegen 16:30. Aber weit gefehlt – denn nun begibt sich der Fahrer erstmal auf Fahrgastsuche: Nach zwei Stunden Sightseeing durch Dili legen wir wieder an der Kreuzung unseres Hostels an – bislang nur halb belegt. Nach weiteren zwei Stunden Stadtirrfahrt stoppen wir am Busbahnhof von heute früh – nunmehr brechend voll einschließlich Leuten, die von außen an den Fenstern hängen. Endlich scheint dem Fahrer die Tour lohnend genug: Wir hocken eingeklemmt zwischen Massen von Kisten und Säcken bis unters Dach und turmhoch auf dem Dach gestapelten Matratzen, und statt um 16:30 Com zu erreichen, verlässt der Bus erst zu dieser Zeit Dili und befindet sich endlich kurz vor Sonnenuntergang in rasender Fahrt die wahrlich atemberaubend schöne (oder liegt es am Fahrstil?) Küstenstraße entlang.

Nach zwei Dritteln der Strecke – es ist längst dunkel – wird ein ungeplanter Stopp wg. geplatztem Zwillingsreifen zur willkommenen Pinkelpause genutzt. Unsere Host in Com antwortet auf meine WhatsApp-Updates nicht, und ich befürchte schon, dass sie unser Zimmer (vorsichtshalber schon vor einem halben Jahr gebucht) gegen besseres Gebot weitergegeben hat. Gegen Mitternacht erreichen wir Com und werden jeder vor dem gewünschten Haus abgesetzt. Auch unser Zimmer wartet auf uns – allerdings haben die Vermieter tatsächlich noch nie vor dem Problem hoffnungsloser Überbuchung gestanden (normalerweise sind sie froh, wenn sich überhaupt jemand in diesen abgelegenen Winkel der Welt verirrt) und sind mit der Situation offenkundig komplett überfordert, zumal hier seit bereits einem Monat das Internet weitgehend ausgefallen ist. Wir sind jedenfalls froh, rechtzeitig angereist zu sein und unser Zimmer besetzen zu können – denn das wird in den nächsten Tagen möglicherweise noch zum Problem werden..

Unsere russischen Freunde sind im Nachbarhaus untergekommen. Auf der Fahrt hatten wir genug Zeit zum Schwatzen (sie sprechen beide gut englisch) – auch sie bestätigen, dass kaum jemand ihrer Generation hinter dem Ukrainekrieg steht und sie alle froh wären, wenn dieser „Bullshit“ vorüber wäre und sie wieder normal reisen könnten, ohne überall schräg angeschaut zu werden. Auch sie betonen, dass sie sicher nicht in den Krieg gegen die Ukraine ziehen würden, da sie absolut nichts gegen die Ukrainer haben: Diese wären genau so wie sie selber – es wäre bei aller Unterschiedlichkeit gefühlsmäßig ein wenig wie im Kalten Krieg, als an der Innerdeutschen Grenze Deutsche gegen Deutsche standen und im Ernstfall hätten aufeinander schießen sollen. Nur dass für sie der Ernstfall eingetreten ist.

Wir beziehen unser Zimmerchen direkt am Strand mit Blick aufs Meer, und öffnen die hintere Tür in Erwartung des Badezimmers. Aber wir stehen wieder auf der Straße: Ein Gemeinschafts-Stehklo und eine Wassertonne mit Kelle zum „duschen“ sind gleich um die Ecke. So ist das eben, wenn man mal wirklich in völlig nicht-touristischen Gegenden aufschlägt..

Auch das Frühstück heute Morgen ist einfach: Ein Omelett mit einer Tasse Kaffee. Die Preise sind hier nicht etwa ländlich niedrig, sondern wg. der langen Lieferwege ausgesprochen hoch – zumal im Land der US-Dollar die gesetzliche Währung ist (mit eigenen Münzen unterhalb eines Dollars).  Im Lauf des Tages füllte sich unser Gästehaus heute schon, und am Strand werden von der Regierung extra wg. des astronomischen Ereignisses Events gesponsort: Gerade beginnt eine Musikkapelle mit ohrenbetäubender Musik, die die Dorfjugend des gesamten Ostens anzieht und uns vermutlich um den Schlaf bringen wird.

Denn den bräuchten wir: Wir lernten heute ein kanadisch-indonesisches Pärchen kennen, das mit seiner Segelyacht durch den Sunda-Archipel kreuzt und zum Anlass der Eclipse hier angelegt hat. Die haben uns für morgen ab 7:00 zu einem Segeltörn eingeladen. Und Dimitrij hat einen ganzen Sack dieser für Sonnenbeobachtungen wichtigen Spezialbrillen mitgebracht, so dass wir nicht nach alten Filmstreifen suchen müssen: Wir sind inzwischen also gut ausgerüstet und lernen hier lauter am Ereignis interessierte nette Menschen  – sogn. „eclipse-chaser“ –  kennen.

Übermorgen Donnerstag kurz nach Mittag wird dann der Kernschatten des Mondes den Strand von Com für etwas mehr als eine Minute komplett verdunkeln – ob wir darüber hinaus Sonnenkorona und funkelnde Sterne beobachten können, steht noch in den denselben: Denn zumindest heute hat es alle paar Minuten für ein paar Minuten geregnet, bevor dann wieder die Sonne bei 30 Grad durchstach.

Das größte Problem ist leider das Internet: Eine Datenverbindung besteht nur hin und wieder für wenige Minuten, bevor sie wieder verschwindet. Ob und wann ich also diesen Bericht hochladen (oder gar redigieren) kann, steht ebenfalls in den Sternen..

Vorerst mit zuversichtlichem Gruß vom sich langsam füllenden Strand (eine weitere Yacht ankert gerade vor uns und einige Zelte werden jetzt im Hof aufgebaut) in Com,

Thomas und Phet 🙂

 

 

Borneo, Di. 11.04.23

Dayak-Ureinwohner und Dschungel-Trekking

Liebe Leute,
seit letzter Nacht sind wir wieder zurück in Pangkalan Bun in Zentral-Kalimantan, nach unserem Ausflug zu den Dayak in den noch weitgehend unberührten Primärwäldern der Berge an der Grenze zu West-Kalimantan. Zu den Inlandsbergen führte eine 6-stündige Autofahrt im Allradfahrzeug auf löchriger Asphaltstraße – zunächst durch endlose dem Urwald abgetrotzte elend gleichförmige Palmölplantagen, welche die Notwendigkeit einer Einkommensalternative durch einen den Naturschutz befördernden sanften Tourismus dringlich vor Augen führen. Weiter gegen West-Kalimantan breitet sich jedoch der ursprüngliche Regenwald über die Berge aus: Die Dayak verstehen sich als Hüter des Waldes ihrer Ahnen und zögern nicht, Eindringlinge mit entgegenstehenden Ambitionen auch robust (d.h. kriegerisch) von einem Landraub abzuhalten. Die Frage ist freilich, wie lange sie das noch gegen die Interessen mächtiger internationaler Firmen, die auf ihre „Freihandelsverträge“ pochen, durchhalten können.

Unser neuer Führer heißt Vonny und ist selber ein Dayak, der Bäume schneller als jeder Orang Utan hinauf läuft. Schon bei der Übergabe noch am Boot zieht er uns den ersten Zahn: Auch die Dayak leben heute nicht mehr so, wie sie in Dokumentationen gern dargestellt werden, sondern leben in „normalen“ Holzhäusern mit Badezimmer, kleiden sich in Shorts und T-Shirts und fahren Moped. Nichtsdestotrotz bewahren sie ihre Traditionen und ehren ihre Ahnen, die die Wälder bewohnen. Tatsächlich sind wir nicht davon ausgegangen, dass wir hier ein „Living Museum“ vorfinden – das kennen wir ja ähnlich auch von anderen südostasiatischen oder z.B. amazonischen Ureinwohnern: Wir sind einfach gespannt, was uns erwartet.

Auf halbem Weg halten wir zum Lunch an einem Warung (Straßenlokal), wo es ein enorm leckeres Brathähnchen gibt. Am Nachmittag erreichen wir das Dayak-Dorf in den Bergen und beziehen hier das einzige Vermiet-Zimmer im einzigen Homestay des Dorfes: Die Familie bewohnt das Holzhaus und betreibt im Schuppen daneben einen kleinen Einkaufsladen; geschlafen wird auf abends hergerichteten Matratzen auf dem Boden des Wohnbereichs, die Küche ist draußen (überdacht), und das Badezimmer hat ein Stehklo (immerhin) und eine große Wassertonne mit Schöpfkelle zum „Duschen“. Das alte Langhaus der Familie steht nebenan und dient heute nur noch für Zeremonien.

Langhäuser sind die traditionellen großen Wohnhäuser Borneos, wo früher das ganze Dorf drin wohnte – denn es ging selten so friedlich zu wie heute: Stammeskriege und Kopfjagden waren an der Tagesordnung, weshalb das Langhaus aus hartem Eisenholz eher einer Festung glich, ohne Fenster auf hohen Pfählen erbaut, mit zwei leicht zu verteidigenden Türen vorn und hinten. Statt Fenstern gab es nur schmale Schießscharten in den nach außen geneigten Wänden, durch die man mit dem Blasrohr etwaige Angreifer beschießen konnte. Schießscharten und hohe Spitzgiebeldächer sorgen bis heute für genügend Luftzug für ein angenehmes Innenklima. Die Langhäuser die hier stehen sind alle mehrere Jahrhunderte alt und dank des Eisenholzes kaum verrottet – die neuen Häuser stehen dagegen direkt auf dem Boden, haben Fenster und sind aus preiswerterem Holz, denn Eisenholzbäume gibt es kaum noch.

Zunächst führt uns die Bürgermeisterin persönlich durch das Dorf (niemand hier spricht englisch, weshalb Vonny ständig übersetzt): Die Bewohner sind alle sehr freundlich und dabei aufgeschlossen und neugierig, da sie selten Ausländer sehen. Auf dem Dorfplatz bolzen ein paar Jungs, im Fluss spielen Kinder und halten die Frauen Waschtag. Mehrere uralte, teils verfallene Langhäuser stehen in tropisch wuchernden Gärten, daneben die relativ modernen Häuser der Familien. Während die Indonesier im Allgemeinen Muslime sind (außer auf Bali, wo Hindus überwiegen), sind die Dayak von Borneo zumeist christlich missioniert (holländische Kolonialvergangenheit) bzw. hängen ihrem alten Ahnenglauben Gaharingan an, der sie zu unzähligen Zeremonien verpflichtet, die ihnen Ahnenverehrung und Schutz des Waldes immer wieder vor Augen führen. Allerdings stehen manche Häuser auch deshalb leer, weil nicht alle Verstorbenen in den Wald ziehen, sondern einige in ihren alten Häusern herumgeistern, während die Familie dann lieber daneben ein neues Haus errichtet. Die Gräber auf kleinen Ahnenfeldern im jeweiligen Hausgarten verrotten ungepflegt, weil dies die Rückübernahme durch die Natur am besten versinnbildlicht.

Nach einem einfachen, aber leckeren Dinner im Homestay gleich nach Sonnenuntergang um 18:00 erwartet uns eine Überraschung: Für uns als (seltene) Gäste wird eine Willkommenszeremonie im Langhaus abgehalten. Als wir eintreten, erwartet uns eine Art Musikkapelle mit den eigentümlichen Perkussionsinstrumenten der Dayak wie Schellen und Metalltöpfen ähnliche Klangkörper, die mit Holzschlegeln angeschlagen werden. Zur Begrüßung gibt es Betelnüsse in Blättern, die man kaut und den roten Saft in einen Eimer spuckt – das leicht betäubende Gefühl ist die erwünschte Wirkung. Der zunächst unauffälligste Spieler der Kapelle erweist sich als Dorfältester, der uns nun begrüßt, segnet und eine Art Freundschaftsbändchen um unsere Handgelenke schnürt. Man zeigt uns die traditionellen Begrüßungsrituale und -gesten, wobei es nach jeder Gesten-Runde ein Gläschen Arak-Reisschnaps auf ex gibt. Derart aufgelockert wird dann auf sehr traditionelle Art getanzt: Eine Art Tempeltanz, wo mehr die Hände als die Füße bewegt werden. Es ist „spät“, als alle recht angeschickert nach Hause gehen: 20:30 ist hier so etwas wie bei uns 2:00 Uhr früh..

Am nächsten Morgen holt uns zunächst der Dorfpolizist Ewan jetzt in traditionellem Dayakkrieger-Outfit ab und zeigt uns das Blasrohrschießen: Das Blasrohr aus Eisenholz ist so lang wie er selbst und mit einem Bajonett versehen – wir dürfen alle damit auf einen Baum schießen. Das geht weit besser als gedacht – allerdings kann der geübte Dayak auch mehrere Pfeile in das Rohr stecken und mit einer bestimmten Blastechnik diese Pfeile blitzschnell, aber einzeln verschießen – was wir nicht schaffen. Dies soll früher wichtig gewesen sein, wenn man es mit mehreren Gegnern gleichzeitig zu tun hatte.

Nach einem kurzen einfachen Frühstück mit dem leckeren Hochland-Kaffee, dessen Sud sich am Tassenboden absetzt, geht es los: Aufbruch mit kleinem Gepäck für eine Zweitageswanderung mit einer Nacht im Dschungel. Neben unserem Führer Vonny gibt es den localguide Bong und zwei Träger, die in Rattankiepen Zelt- und Küchenzubehör schleppen. Phet und ich mit unseren Kleinigkeiten im Daypack – wobei wir im letzten Augenblick unsere Kleiderstrategie geändert haben: Wir wollten mit festen Schuhen, dichten Zeckensocken und langen Hosen gehen, ändern dies aber ab, nachdem wir den Grund für die barfuß in Shorts gehenden Träger verstanden haben: An nackten Beinen sieht man etwaige Blutegel hochwandern und kann sie leicht abpflücken, während sie unter der Hose nicht zu sehen (und zu spüren) wären und so erst abends fett und vollgesogen entdeckt würden. Daher laufen wir nun doch lieber auch einfach in Shorts und Trekkingsandalen – was bei dem feuchtwarmen Klima eh angenehmer ist.

Es geht direkt rein in einen Dschungel, wie man ihn sich vorstellt: Im Grün kaum erkennbare, teils steile und lehmig-rutschige Pfade führen durch das Unterholz, mehrere Flüsschen mit klarem Wasser (trinkbar!) müssen durchwatet werden, und tatsächlich gibt es hier auch noch die Baumriesen, die ja zumeist in anderen Urwäldern schon vor Jahrzehnten rausgeschlagen wurden und Jahrhunderte zum Nachwachsen brauchen. Es gibt auch hier kaum Mücken – aber halt Blutegel, wenn auch viel weniger als befürchtet: Sie sind kleiner als gedacht und wandeln sich ständig von ca. 1-cm-Punkten zu 10 cm-Strichen, die suchend ihre Köpfchen wiegen und sich Fuß-über-Kopf fortbewegen. Schon bald haben wir unseren anfänglichen Ekel überwunden und pflücken die kleinen Störenfriede so stoisch wie unsere Begleiter ab, wenn wir sie auf der Haut entdecken – immerhin übertragen sie keine Krankheiten wie Mücken, sondern werden von den Dayak zu Heilzwecken sogar extra angesetzt.

Wir passieren Bongs ca. 200 Jahre altes, inzwischen aufgegebenes und halb überwuchertes Eltern-Langhaus und tauchen weiter in den Urwald ein. Über unseren Köpfen tummeln sich kecke Affen und bunte Vögel; mancher Schmetterling umflattert uns im Sonnenlicht, welches in scharfen Strahlen durch das Laubdach fällt.  Die Wanderung erfordert eindeutig Aufmerksamkeit und hohe Trittsicherheit; sowie eine gewisse stoische Resistenz gegenüber Unwägbarkeiten, denn auch stundenlange Regengüsse im feuchtwarmen Klima müssten in Kauf genommen werden – was uns glücklicherweise erspart bleibt: Der erste heftige Tropenschauer erwischt uns erst nach Ende der heutigen Wanderung im Schutz des Zeltes. Wir erreichen unser Nachtlager am Fuß eines Wasserfalles am frühen Nachmittag und haben – verschwitzt und verdreckt, wie wir sind – Zeit für eine willkommene Dusche unter demselben: Das Wasser ist klar, angenehm kühl und schmeckt wunderbar. Die Träger entfachen ein kleines Lagerfeuer, über dem ein Kessel Wasser kocht, und spannen Zeltplanen über hier vorbereitete aufgeständerte Lattenroste, während Vonnydirekt zu kochen beginnt. Die Toilette wäre – falls nötig – ein Loch hinter einem besonders dicken Baum, kommt aber für eine Nacht nicht zum Einsatz. Da es zwar Luftmatratzen, aber kein Bettzeug gibt, sind Phet und ich froh über unseren mitgebrachten vietnamesischen Seiden-Doppelschlafsack, der zwar dünn aber ausreichend ist. Denn nachts wird es erheblich kühler als erwartet.

Nach einem unerwartet vielseitigen Dinner erleben wir eine besondere Überraschung: Zwar ist der Mond noch nicht aufgegangen, und nur wenige Sterne funkeln von einem klaren Himmel durch das dichte Laubdach, als wir das Licht löschen – aber in der völligen Dunkelheit umschwirren uns nicht nur einige Glühwürmchen, sondern der ganze Boden glimmt in einem geheimnisvollen Licht: Der Fäulnisprozess des dichten Blätterteppichs sowie phosphoreszierende Pilze bringen dieses grünliche Leuchten hervor. Wir bekommen eine Ahnung davon, woher James Cameron manche Ideen für seinen Pandora-Urwald in „Avatar“ genommen hat (nur schade, dass man davon keine Fotos machen kann: Dazu ist das Glimmen viel zu schwach..)

Der Sonnenaufgang kurz nach fünf Uhr früh findet uns schon beim Frühstück, dann wird alles zusammengepackt und der Rückmarsch angetreten. Abwärts geht es sogar schneller als gestern, auch wenn man noch mehr ins Rutschen gerät. Mittags sind wir zurück im Dorf, nehmen das restliche Gepäck auf und treten die Rückfahrt an. Nach Sonnenuntergang erreichen wir den Ausgangsort Pangkalan Bun und checken für drei Nächte im Hotel ein: Die nächsten zwei Tage werden wir für die genauere Erkundung des Ortes und für Gespräche mit Nur über die Entwicklung unseres Freundeskreisprogramms brauchen. Wie wenig Tourismus es hier gibt sieht man auch daran, dass es keine Motorroller-Vermietungen gibt, sondern Nur uns seinen eigenen Scooter borgt.

Ab übermorgen Donnerstag werden wir via Surabaya und Bali Richtung Timor Leste zur Sonnenfinsternis unterwegs sein – doch dazu später mehr.
Bis dahin ganz liebe Grüße noch aus Borneo,
Thomas und Phet

 

Borneo, Fr. 7.04.23

5 Tage bei den ORANG UTANS:

Liebe Leute,
nun haben wir sie tatsächlich komplett: Schimpansen, Gorillas und nun auch Orang Utans in freier Wildbahn in die Augen geschaut – aber der Reihe nach:

Am Dienstag 4.04. holte uns gleich nach dem Frühstück Guh, unser junger Führer von den Local Guides, am Hotel ab, und brachte uns per Taxi zum Hafen in Port Kumai am breiten Sungai (Fluss) Kumai. Hier wartet unser Klotok: Ein Holzboot, auf dessen offenem (aber überdachten) Oberdeck wir die nächsten Tage hausen werden, während die das Boot führende Familie unten wohnt. Unsere Einrichtung an Deck: Eine Doppelmatraze (mittig) und ein Tisch mit Stühlen (hinten), dazu zwei enorm bequeme Sitzsäcke (vorn); Gäste-Dusche und -Toilette sind westlicher Standard.

Wir legen ab und tuckern den Sungai Kumai Richtung Süden, um schon bald in einen schmalen Zufluss einzubiegen: Die folgenden Tage werden wir auf dem Sungai Senkoyer und seinen Zuflüssen unterwegs sein. Wir befinden uns im Tanjung Puting Nationalpark, dem größten NP Borneos mit der größten Orang Utan Population weltweit (es gibt sie eh nur noch auf Borneo und Sumatra). Am Ufer erhebt sich bereits grüner Urwald mit einem undurchdringlichen Verhau an verschiedenen Palmen, geschraubten Pandanus- und riesigen Laubbäumen.
Und Tieren:  In den Bäumen teils direkt am Ufer tummeln sich neben Vögeln wie Hornbill und Sturmstorch vor allem Langschwanzmakaken und Gibbons sowie die witzigen endemischen Nasenaffen (Proboscis), bei denen die Männchen einen überproportionalen Riecher entwickelt haben, der ihnen wie eine Rübe über den Mund hängt. Aber sie sind geschickte Kletterer in den Bäumen und springen mit gewaltigem Hechtsprung von einem Wipfel zum nächsten.
Noch bevor wir an der ersten Auswilderungsstation für Orang Utans ankommen, haben wir bereits einige wilde Exemplare in den Bäumen hängen sehen – sie sind die größten baumbewohnenden Tiere weltweit und hangeln sich meist recht gemächlich an ihren überlangen Armen durchs Geäst. Sie leben als einzige Primaten nicht in Familienverbänden, sondern den größten Teil ihres Lebens allein – abgesehen davon, dass die Weibchen meist ein Junges mit sich herumschleppen, um welches sie sich 8 Jahre kümmern, weshalb sie in ihrer Lebenszeit nur ca. 2 bis 3 Junge bekommen: Auch ein Grund für die schleppende Stabilisierung dezimierter Bestände.

Da Lebensraum und Population in den letzten Jahrzehnten stark rückläufig waren, versucht man hier  – im Unterschied zu den Schutzprogrammen von Gorillas und Schimpansen –  die unzähligen Waisen, die man oft privaten Haltern abnimmt oder die beim (meist gewaltsamen) Tod der Mutter übrig bleiben, erst mit der Flasche aufzuziehen und dann auszuwildern. Da sie ihre Fähigkeiten, in der Wildnis zu überleben, aber erst entwickeln müssen, werden sie an sogn. Feeding Platforms zunächst noch zugefüttert. Spätestens an solchen Plattformen kann man sie dann auch als Tourist beobachten – aber auch vom Boot aus oder während der Urwaldwanderungen sieht man sie in den Bäumen herum turnen. Da uns das Füttern selbstredend verboten ist, ignorieren sie Besucher komplett, laufen aber auch nicht vor uns weg. Andererseits sind zahlende Besucher dringend notwendig, um solche Programme zur Wiederansiedlung dieser schönen Tiere überhaupt finanzieren zu können.
Es gibt mehrere solcher Plattformen im TPNP – nur wenige sind für Besucher geöffnet, und genau die schippern wir nacheinander an. Immer wieder sehen wir Orangs und andere Primaten über uns durch die Baumkronen steigen. So erreichen wir schließlich das (Forschungs-) Camp Leakey, in welchem Birute Galdikas (76) noch heute gelegentlich weilt, nachdem sie es in den 70’er Jahren als junge Forscherin aufgebaut und nach ihrem Mentor benannt hatte. Dabei wurde sie von ihrem Mann Pak Bohap unterstützt, einem zu den Ureinwohnern Borneos zählenden Dayak, der sich ebenfalls Zeit seines Lebens für den Schutz des Waldes und seiner Bewohner, insbesondere halt der „Waldmenschen“ (das heißt Orang Utan übersetzt), eingesetzt hat, und der grad vor einem Jahr gestorben ist.

An Bord erhalten wir 3x täglich sehr gutes indonesisches Essen, immer frisch in der Bordkombüse hergerichtet. Nachts wird ein Moskitonetz gespannt, unter dem wir den Urwaldgeräuschen lauschen und den Vollmond beobachten können. Der Fluss wird immer schmaler, und seine unter geschlossenem Blätterdach liegenden Zuflüsse können wir teilweise nur mit dem Kanu befahren.

Urwald von seiner besten Seite: Da es sich um Schwarzwasserflüsse handelt, deren humussäurehaltiges Wasser zwar klar, aber wie Schwarztee gefärbt ist, gibt es hier kaum Mücken. Auch die Blutegel, vor denen ich immer gewarnt wurde, habe ich bislang nicht gesehen (da will ich freilich nicht zu früh jubeln: Das kann ja alles später bei den Dayak noch kommen..) Und das Wetter spielt auch mit: Morgens sonnig, ab mittags eher bedeckt (was die dann gnadenlose Sonnenhitze abschwächt), nachts sternenklar (zurzeit mit Vollmond). Gelegentliches Wetterleuchten. Ein heftiger (warmer) Tropenwolkenbruch erwischte uns gestern Nachmittag, gerade als wir nach einem Plattform-Besuch wieder auf dem Schiff waren – aber auch der war schnell vorüber, und danach war die Luft herrlich frisch und klar.

Einige Dschungelwanderungen einschl. einer Nachtwanderung haben wir natürlich auch gemacht – denn ich will ja das gesamte mögliche Programm kennen lernen, um dann auswählen zu können, was sich für ein Freundeskreisprogramm besonders eignet. Und da bin ich hier tatsächlich sehr fündig geworden: Sogar eine wunderschöne Urwaldlodge wurde mir gezeigt, mit geräumigen Zimmern in tropischem Garten, so dass auch ein Programm ohne Bootsübernachtungen denkbar wäre. Denn das ist ja vielleicht nicht Jedermanns Sache.

Im Augenblick verbringen wir unsere letzte Nacht an Bord sicher vertäut am Flussufer, umfunkelt von dutzenden Glühwürmchen unter einem gewaltigen Himmelszelt. Morgen werden wir den südlichen Nationalpark verlassen und in Kumai das Fahrzeug wechseln, um mit neuem Führer zu den Dayak (Ureinwohner Borneos) in den Bergen des Inlands zu reisen. Sobald ich unterwegs Internet habe, werde ich versuchen, dieses Tagebuch hochzuladen 😀

 

Borneo, Mo. 3.04.23

ANREISE

Liebe Leute,

und schon sind wir auf Borneo – oder Kalimantan, wie die Insel hier genannt wird. Zwei Tage Anreise haben wir hinter uns:

Gestern starteten wir pünktlich von Bangkok mit Zwischenlandung in Kuala Lumpur (Hauptstadt von Malaysia) und flogen dann  – den Äquator querend –  südöstlich immer längs der Küsten der Malakka-Halbinsel und der Insel Sumatra, um schließlich die Insel Java zu erreichen und dort in ihrer östlichsten Stadt Surabaya zu landen. Hier brachten wir die Einreiseformalitäten nach Indonesien gut vorbereitet relativ schnell hinter uns, und ich besorgte mir noch auf dem Flughafen eine indonesische Handy-SIM-Karte mit Datenvolumen, um nicht nur auf Hotel-Wifi angewiesen zu sein.

Da es schon spät war, übernachteten wir im Flughafenhotel mit Blick auf die Landebahn und setzten die Reise heute fort: Ein weiterer Flug brachte uns nun über die Java-See nach Borneo, der viertgrößten Insel der Welt, die sich drei Länder teilen – nämlich Indonesien mit dem weitaus größten Part (Zentrum und Süden), Malaysia mit dem entwickelteren Teil (Norden) und das winzige, aber stinkreiche Sultanat Brunei (Nordwesten) –  und die noch zu großen Teilen von dichtem Urwald bedeckt ist, auch wenn heute ganze Landstriche zu Ölpalmenplantagen umgewandelt werden.

Wir verlassen die zurzeit gefluteten Reisfelder Javas, überfliegen die tiefblaue Javasee Richtung Norden und erreichen Borneo, wo sich unter uns zunächst nichts als grüner Dschungel bis zum Horizont erstreckt, durchbrochen von mäandernden Flüssen: Es handelt sich um den im Süden der Insel liegenden Tanjung Puting Nationalpark, Heimstadt der größten noch existierenden Orang-Utan-Population und Wirkungsstätte von Birutė Galdikas, die als junge Studentin in den 70’er Jahren von Louis Leakey, dem berühmten Frühmenschenforscher, der mit seiner Frau Mary seit den 30’er Jahren vor allem in der Olduvai-Schlucht in Tansania die bislang ältesten Früh- und Vormenschenknochen ausgegraben hat, hierher geschickt wurde, um das damals noch weitgehend unbekannte Verhalten dieser Menschenaffen zu studieren. Sie machte damals die „Drei Engel für Leakey“ komplett, nachdem dieser bereits Dian Fossey bei den Gorillas und Jane Goodall bei den Schimpansen installiert hatte, da er davon überzeugt war, dass die Kenntnis des Verhaltens all dieser dem Menschen am nächsten verwandten Tiere Aufschlüsse über das Verhalten der Frühmenschen zuließe – tatsächlich lässt sie sogar erstaunliche Rückschlüsse auf das Verhalten des „modernen“ Menschen zu.

Nach Überflug eines besonders breiten Flusses wandelt sich das Bild, und wir landen inmitten von Palmölplantagen am Rand des Städtchens Pangkalan Bun.  Nur von den Local Guides holt uns ab und bringt uns in unser Hotel nahe des Flusses. Wir besprechen kurz die kommenden Tage, dann spazieren Phet und ich gemütlich durch die schmalen Gassen und Stege am Fluss mit seinem ruhigen  Treiben zwischen den bunten Holzhäuschen: Die Menschen sind ausgesprochen freundlich und hilfsbereit (Phet fällt durch ihr vorsichtiges Gehen wg. des kürzlich gebrochenen Fußes auf), die Kinder winken uns scheu aber neugierig zu: Viele Touristen scheinen sich hier nicht sehen zu lassen. Wobei Phet gar nicht als Ausländerin erkannt wird und stets auf indonesich angesprochen wird in der Erwartung, sie könne mir übersetzen – sie antwortet dann lächelnd auf Thai, und es gibt immer viel Vergnügen wenn wir uns dann zusammenradebrechen.

Die Bevölkerung ist muslimisch und zurzeit in der Fastenzeit des Ramadan, weshalb man zwar an vielen Straßenständen Essen kaufen, aber nicht verzehren kann. Von den bunten Holzminaretten kleiner Moscheen jammern Muezzingesänge, als wir zum Hotel zurück schlendern und dort unsere erworbenen Leckereien verzehren. So geht der erste Tag mit sehr gutem und günstigen Abendessen am Hotelpool im tropischen Garten zuende – morgen früh werden wir abgeholt und zu unserem Klotok gebracht: einem kleinen Kabinenboot, auf dessen Deck wir die nächsten Tage verbringen werden, wenn wir auf den Flüsschen des Nationalparks durch den dichten Dschungel bis zum Camp Leakey vordringen, wo Birutė Galdikas noch heute häufig ihre Studien betreibt und wir zu Wanderungen in den Urwald aufbrechen, um ihre Schützlinge zu besuchen.

Inwieweit es dort Internet gibt weiß ich noch nicht – aber ich rechne eher nicht damit. Spätestens danach (in ca. einer Woche) werden wir dann hier über dieses Abenteuer berichten –

bis dahin ganz liebe Grüße aus der Provinz Zentral-Kalimantan auf Borneo,

Thomas und Phet

 

 

Bangkok, Sa. 1.04.23

VORABEND: Auf gepackten Koffern

Liebe Leute,

pünktlich zum Beginn des versprochenen Reisetagebuchs für unsere Erkundungsreise nach Indonesien  – Borneo, Komodo, Flores und Bali sowie einen geplanten Abstecher zur Sonnenfinsternis in Ost-Timor (Timor Leste) –  lässt mich grad mein neuer (!) Laptop im Stich: Er weigert sich seit meiner Rückkehr aus Berlin (zur Beerdigung meiner lieben Mutter) nach Bangkok vor 3 Tagen, mit dem Internet Verbindung aufzunehmen – weder Wifi/WLan noch Handy-Hotspot funktionieren.  Mit dem Ergebnis, dass ich jetzt an der Mäusetastatur des Handys Fingerakrobatik machen und mit der unübersichtlichen Seitengestaltung auf dem Minidisplay klarkommen muss.. 🙁

Wie auch immer: Ab morgen früh sind wir auf Reisen zunächst Richtung Borneo, um dort im Dschungel zu Dayak (Ureinwohner) und Orang Utans vorzudringen. Die Sache hört sich nach Abenteuer an, und ich will hier von Zeit zu Zeit  – soweit sich halt Zeit dafür findet –  darüber berichten.

Wir hoffen dass alles gut geht – denn hinzu kommt, dass Phet sich 3 Tage nach Rückkehr aus Afrika hier in Bangkok bei einem unglücklichen Schritt den Fuß gebrochen hatte und gerade erst den Gips wieder los ist.

Damit genug für jetzt: Wir freuen uns über Eure virtuelle Begleitung und hoffen, ein tolles neues Freundeskreisprogramm entwickeln zu können, welches zugleich abenteuerlich und doch komfortabel machbar ist. Demnächst also hier mehr darüber –

bis dahin mit sonnigen Grüßen grad noch aus Thailand,

Thomas und Phet 🙂